Was man in der Natur ernten darf

SteveJ

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Herbstzeit heißt auch Zeit vieler reifer "Früchte".

Im Wald Beeren pflücken oder Pilze sammeln, ein paar Trauben im Weinberg stibitzen oder den Apfel vom Baum am Wegesrand testen – zum Spaziergang gehört das für viele dazu.
Einiges ist erlaubt, anderes wird toleriert.
Doch es gibt Grenzen...

Was ist erlaubt?
Nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) dürfen wild wachsende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter in geringen Mengen grundsätzlich von jedem gepflückt oder gesammelt werden.
Von der Menge her erlaubt ist, was nicht über einen “Handstrauß“ hinausgeht:
Bei Blumen entspricht dies nach Angaben des baden-württembergischen Umweltministeriums dem, was zwischen Daumen und Zeigefinger passt.
Wer gewerbsmäßig abernten will, braucht eine behördliche Genehmigung.

Was ist zu beachten?
Zunächst einmal sollte man sich vergewissern, dass man nicht ein Privatgrundstück aberntet.
Wer in der freien Natur sammelt und pflückt, sollte behutsam mit den Pflanzen umgehen.
Erlaubt ist nur die Ernte für den persönlichen Bedarf und nur an Stellen, die betreten werden dürfen.
In Naturschutzgebieten gibt es zum Beispiel besondere Vorschriften zum Betreten des Gebiets und Regeln zum Artenschutz.
In der Regel dürfen hier dem Ernährungsministerium zufolge Beeren, Blumen oder Pilze weder entnommen noch gesammelt werden.
Auch in sogenannten Bannwäldern, die sich ohne Zutun des Menschen entwickeln, sollte demnach nicht gesammelt werden.

Was ist verboten?
Das Abernten von Mengen, die über den “Handstrauß“ hinausgehen, ist genauso verboten wie die Entnahme streng geschützter Arten aus der Natur.
Nicht erlaubt ist laut Naturschutzgesetz auch, wild wachsende Pflanzen ohne vernünftigen Grund herauszureißen oder Bestände zu verwüsten.
Letzteres kann etwa durch Beerenkämme geschehen, die zumindest in Frankreich mancherorts verboten sind.
Drastische Fälle wie in den französischen Vogesen, wo die Behörden mit hohen Strafen gegen illegale Heidelbeer-Banden vorgehen, sind hierzulande bislang nicht bekannt.

Welche Strafen drohen?
Ein Verstoß gegen geltende Verbote kann nach Angaben des Ernährungsministeriums als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Die Bußgelder können nach bei bis zu 50.000 Euro liegen (§69 BNatSchG).

Darf man Äpfel und anderes Obst am Wegesrand pflücken?
Auch wenn sich hartnäckig die Ansicht hält, dass der unerlaubt gepflückte Apfel ein Kavaliersdelikt ist – “Mundraub“ gibt es nicht mehr als eigenes Delikt.
Pflückt man von fremden Grundstücken ohne Einwilligung des Eigentümers Obst, ist das nach dem Strafrecht ein Diebstahl wie jeder andere, wie die Siegener Strafrechtskanzlei Kotz betont.
Theoretisch ist eine Strafe bis zu fünf Jahren möglich...

Welche Ausnahmen gibt es bei Obstbäumen?
Das Agrarministerium verweist auf die Aktion “Gelbes Band“, die in manchen Landkreisen jährlich zur Erntezeit stattfindet.
Gelb-orangene Bänder um Bäume weisen darauf hin, dass von diesem Baum gern geerntet werden darf.
Sowohl Privatbesitzer als auch Kommunen können ihre Bäume so kennzeichnen.



Die Aktion soll ein Beitrag dazu sein, dass mehr Obst verwertet wird und nicht ungenutzt vom Baum fällt und verkommt.
Auch gibt es vielerorts in Deutschland die Möglichkeit, legal “Mundraub“ zu begehen:
Auf der Webseite Mundraub.org können Kommunen und private Besitzer Bäume und Sträucher registrieren lassen, die andere ungestraft abernten dürfen. :)

Was gibt es bei Pilzen noch zu beachten:

Abschneiden oder Herausdrehen?

Grundsätzlich nimmt das Pilzmyzel im Boden durch das Sammeln der oberirdischen Fruchtkörper keinen Schaden.
Dabei ist es egal, ob die Pilze abgeschnitten oder herausgedreht werden.
Es empfiehlt sich aber, Pilze vorsichtig dem Boden zu entnehmen, da sich an der Stielbasis oft wichtige Merkmale befinden, die sonst im Wald verbleiben wie zum Beispiel die Scheide des Grünen Knollenblätterpilzes (Amanita phalloides).

Vor dem Hineinlegen in den Korb sollten man die Pilze aber grob putzen, bei manchen Arten ist z.B. die schleimige Huthaut abzuziehen.

Auf bekannte Arten beschränken
Sammelt am besten nur Pilzarten, die Ihr absolut sicher erkennt!
Auch Bücher und Apps können keine absolute Sicherheit davor bieten, dass man fälschlicher Weise einen Giftpilz erwischt.
Von unbekannten Pilzen könnte man 2–3 Exemplare in möglichst unterschiedlichen Entwicklungsstadien mitnehmen und zu Hause in Ruhe bestimmen.
Bewahrt unbekannte Pilze getrennt von den Speisepilzen auf, da selbst kleine Teile eines (tödlich) giftigen Pilzes den ganzen Korb verderben können. :eek:

Fünf beliebte Speisepilze und ihre Doppelgänger
  1. Wiesen-Champignon und Knollenblätterpilz
    Beim Wiesen-Champignon ist höchste Vorsicht geboten. Sein hochgiftiger Doppelgänger, der Knollenblätterpilz, ist tödlich!
    Während der Champignon, wie sein vollständiger botanischen Name verrät, auf Wiesen wächst, findet man den Knollenblätterpilz meist unter Bäumen.
    Seine Lamellen sind immer (!) weiß. Beim Wiesen-Champignon dagegen sind die Lamellen rosa bis braun.
    Eine Vergiftung durch Knollenblätterpilze wird Phalloides-Syndrom oder Amatoxin-Syndrom genannt und ist für etwa 90% aller Pilz-Todesfälle verantwortlich.
    Vergiftungserscheinungen können nach 6 bis 24 Stunden, meist 8 bis 12 Stunden, maximal bis 48 Stunden nach der Pilzmahlzeit auftreten.
    Je nach Schweregrad gehen die Symptome von Magen-Darm-Symptomatik über Leber- und Nierenschäden bzw. -zerstörung sowie Störungen der Blutgerinnungsfähigkeit.

  2. Steinpilz und Gallenröhrling
    Der Steinpilz gehört zu den beliebtesten Pilzen und wächst vor allem in Nadel- oder Mischwäldern.
    Sein zum Verwechseln ähnlich aussehender Verwandter ist der Gallenröhrling. Dieser ist zwar nicht tödlich, jedoch ungenießbar.
    Die Unterseite des Schirms verrät Ihnen, um welchen Pilz es sich handeln:
    Während sie sich beim Steinpilz grünlich verfärbt, ist sie beim Röhrling rosa.

  3. Pfifferling und Falscher Pfifferling
    Aufgrund seiner dottergelben Farbe wird der Pfifferling auch Eierschwamm bzw. Eierschwammerl genannt.
    Man findet ihn vor allem auf moosigen Untergrund in Laub- und Nadelwäldern.
    Verwechselt wird er immer wieder mit dem Falschen Pfifferling. Dieser ist zwar nicht giftig, dafür aber schwer verdaulich.
    Sein Verzehr kann zu Brechdurchfall führen. 🤮
    Zur Unterscheidung ist es ratsam den Pilz anzuschneiden:
    Während der Echte Pfifferling ein weißes Fleisch mit gelblichen Rand aufweist, ist der Falsche durchgehend gelblich bis orange gefärbt.

  4. Riesenbovist und Kartoffelbovist
    Riesenboviste gedeihen auf Weiden und nährstoffreichen Böden.
    Obwohl die Riesenboviste aufgrund ihrer Größe leicht zu bestimmen sind, besteht die Gefahr, sie im überreifen Zustand mit giftigen Doppelgängern zu verwechseln.
    Denn mit fortschreitendem Reifungsgrad verändert sich der weiße Fruchtkörper des Pilzes und wird zu einer bräunlichen Kugel.
    In diesem Zustand sieht er dem giftigen, dickschaligen Kartoffelbovist sehr ähnlich.
    Um auf Nummer sicherzugehen gilt: Nur Riesenboviste ernten, die von außen und innen weiß sind!

  5. Speise-Morchel und Frühjahrslorchel
    Eine Speise-Morchel erkennt man vor allem an ihrem wabenartigen hohlen Hut.
    Sie bevorzugt feuchte Standorte, beispielsweise entlang von Wasserläufen.
    Verwechselt wird sie immer wieder mit der hochgiftigen Frühjahrslorchel, obwohl es eindeutige Unterschiede zwischen den beiden Pilzen gibt:
    Die Oberfläche der giftigen Lorchel erinnert an hirnartige Windungen und ist nicht vollständig hohl.
    Achtet man dazu auch auf die Umgebung, ist eine Verwechslung kaum noch möglich:
    Im Gegensatz zur Speise-Morchel mag es die Lorchel sandig und wächst in der Nähe von Kiefern und Fichten.
    Durch den Verzehr der Frühjahrs-Giftlorchel können starke oder sogar tödliche Vergiftungen entstehen (Gyromitra-Syndrom), die einer Knollenblätterpilz-Vergiftung ähneln.
    Vergiftungserscheinungen können hier nach 4 bis 24 Stunden, meist 6 bis 8 Stunden, in Extremfällen auch schon 2 Stunden nach der Pilzmahlzeit auftreten.
    Die Symptome beginnen mit einer Magen-Darm-Symptomatik inkl. Kopfschmerz, worauf sogar eine Besserung eintritt.
    Am zweiten oder dritten Tag treten dann Leber- und Nierenprobleme auf, die sich in Anurie, Leberkoma mit Organblutungen, Atemstillstand, Kreislauf- und Nierenversagen äußern können.

Nur frische Pilze mitnehmen
Sammelt nur gesunde, frische Pilze und lasst überalterte und zu große Exemplare stehen.
Diese sind kein Genuss mehr und können durch bereits beginnende Zersetzung sogar zu einer Lebensmittelvergiftung führen.
Dennoch sind sie eine wertvolle Sporenquelle für die nächste Generation und können auch noch als Nahrung für das Wild dienen.
Nehmt hinsichtlich der Qualität am besten nur solche Pilze mit, die Ihr auch auf dem Markt kaufen würdet.

Bei ganz kleinen Pilzen sind oft die Merkmale noch nicht ausgebildet – lasst diese in Ruhe groß werden, für den nächsten Sammler... :)

Quellen: Ippen-Digital, BNatSchG, Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V., Wikipedia
 
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