SteveJ
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Mitte der Fünfzigerjahre beginnt in Deutschland das Zeitalter der Atomenergie.
Die 66 Jahre seither waren geprägt von teils heftigen öffentlichen Debatten und Protesten.
Eine Chronologie zur Geschichte der Atomkraft in Deutschland und des Widerstandes gegen Atomkraftwerke und den dort erzeugten Atommüll.
Die Anfänge
1955 schafft die damalige Bundesregierung ein Ministerium für Atomfragen unter Leitung des späteren CSU-Chefs Franz Josef Strauß.
Noch gibt es Spötter: Der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard zum Beispiel hält das Ressort für überflüssig – es gebe ja schließlich auch kein Dampfkesselministerium.
Doch Strauß profiliert sich schnell. 1957 wird als erster Atomreaktor in Deutschland der Forschungsreaktor der Technischen Hochschule München in Betrieb genommen.
Zwei Jahre später wird das Atomgesetz verkündet – die Rechtsgrundlage für den Bau und Betrieb von Atomkraftwerken.
Der erste Atomstrom
1961 beginnt das Atomkraftwerk Kahl in Bayern als erster deutscher Meiler mit der Einspeisung von Atomstrom in das öffentliche Netz.
Das Land ist parteiübergreifend im Atomfieber – zumindest was die friedliche Nutzung angeht.
1974 geht der weltweit erste 1200-Megawatt-Block im hessischen Biblis ans Netz. Parallel baut auch die DDR auf die Nutzung der Atomkraft.
1966 geht dort das erste AKW im brandenburgischen Rheinsberg in den Leistungsbetrieb.
Beginn der Proteste
1975 kommt es zu ersten großen Protesten gegen den Bau eines Atomkraftwerkes im südbadischen Wyhl.
Bürger-Proteste, Bauplatz-Besetzung und ziviler Ungehorsam verhindern letztendlich den Bau des Meilers.
Von Mitte der Siebziger- bis Mitte der Achtzigerjahre gibt es weitere Massenproteste vor allem in Brokdorf, Gorleben und gegen eine damals geplante Wiederaufarbeitungsanlage für Atommüll in Wackersdorf.
Problem Atommüll
1984 wird das Brennelement-Zwischenlager Gorleben für schwachradioaktive Abfälle in Betrieb genommen.
Es soll die Zeit bis zum Bau eines in der Nähe geplanten Atommüll-Endlagers überbrücken.
Wenige Jahre später wird das Projekt der Wiederaufarbeitung von Atommüll in Deutschland angesichts der Proteste aufgegeben.
Deutscher Atommüll wird stattdessen zur Vorbereitung für die Endlagerung nach Frankreich und Großbritannien gebracht.
Ausstieg im Osten
1990 wird die ostdeutsche Atomindustrie nach der Wiedervereinigung wegen Sicherheitsbedenken abgewickelt.
Geheime Papiere der "Ständigen Kontrollgruppe Anlagensicherheit" dokumentieren, wie marode die DDR-Kernkraftwerke sind und wie das Personal schlampte.
Die Reaktoren in Greifswald und Rheinsberg werden stillgelegt.
Der Gorleben-Konflikt
"Deutschland im Aufruhr" schreibt die "Neue Zürcher Zeitung", als 1995 unter massivem Polizeiaufgebot die ersten Castor-Transporte mit aus Frankreich, später auch aus Großbritannien zurückgebrachtem Atommüll nach Gorleben rollen.
Wie in den folgenden Jahren werden die Transporte von heftigen Protesten begleitet.
Der Ausstiegsbeschluss
Nach ihrem Wahlsieg 1998 schreiben SPD und Grüne den Atomausstieg als Ziel im Koalitionsvertrag fest.
2002 wird dieser nach langen Verhandlungen gesetzlich festgeschrieben.
Für die Atomkraftwerke wird eine Gesamtlaufzeit von rund 32 Jahren festgelegt, ausgedrückt in noch zu produzierenden Reststrommengen.
Damit sollte das letzte AKW rechnerisch im Jahr 2022 abgeschaltet werden.
Laufzeitverlängerung
Nach dem Regierungswechsel 2009 verlängert die CDU/FDP-Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wieder die Laufzeiten für die noch verbliebenen 17 AKW um acht bis 14 Jahre.
Grundsätzlich bleibt der Ausstiegsbeschluss aber bestehen.
Neuer Ausstieg
Die erneute Kehrtwende kommt nach der Reaktorkatastrophe 2011 im japanischen Fukushima.
"Wir haben eine neue Lage", verkündet Kanzlerin Merkel.
Acht ältere deutsche Atomkraftwerke werden sofort vom Netz genommen beziehungsweise bleiben abgeschaltet, für die übrigen neun Anlagen werden feste Daten für eine schrittweise Abschaltung bis Ende 2022 festgelegt.
Endlager-Konsens
Dies ebnet auch 2013 den Weg für einen parteiübergreifenden Konsens für einen neuen Anlauf zur Suche nach einem Endlager, wo hochradioaktiver Atommüll möglichst für eine Million Jahre sicher gelagert werden kann – ausgehend vom Prinzip einer "weißen Landkarte".
Eigentlich sollte bis 2031 ein Standort gefunden und bis 2050 ein Endlager errichtet werden.
Inzwischen ist dieser Zeitplan obsolet, neue Termine gibt es aber noch nicht. Gorleben steht als Standort jedoch nicht mehr zur Diskussion.
Die neue Debatte
Die durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise sorgt kurz vor der geplanten Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke noch einmal für neue Debatten, Forderungen nach einem Abrücken vom Atomausstieg werden laut.
Festgelegt wird nach einem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein zusätzlicher, sogenannter Streckbetrieb für die drei AKW Emsland, Neckarwestheim und Isar 2.
Jetzt soll der Ausstieg auch dort endgültig vollzogen werden.
---------------------------------------------------
Auch wenn der Atom-Strom sicher nicht der Weisheit letzter Schluss ist, grade wegen des anfallenden Atommülls, hätte man trotzdem die drei verbleibenden Atommeiler bis etwa Ende des Jahrzehnts "sicher" als Grundlastreserve laufen lassen können.
In vielen Ländern um uns herum wird aktuell sogar verstärkt auf Atomkraft gesetzt...
Außerdem:
Mit der geplanten Abschaltung der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke am heutigen Samstag wird das Weltklima einer Studie zufolge mit 15 Millionen Tonnen zusätzlich ausgestoßenem Treibhausgas CO2 pro Jahr belastet.
"Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Wegfall der Kernenergie kurzfristig durch stärkere Kohleverstromung und mehr Strom aus Gaskraftwerken kompensiert wird“, sagte der Studien-Autor und Physiker der Universität Stuttgart, André Thess.
"Dies geht zulasten der CO2-Bilanz des deutschen Stromsektors und damit zu Lasten der deutschen Klimaschutzverpflichtungen.“
Thess ist einer von 20 Professoren, die im vergangenen Jahr eine Petition für den Weiterbetrieb der deutschen Kernkraftwerke in den Bundestag einbrachten.
Der Appell damals:
Das Festhalten am deutschen Atomausstieg gefährde die Versorgungssicherheit und bremse – zusammen mit anhaltender Kohleverstromung – den internationalen Klimaschutz.
Eine Bitte zum Schluss:
Versucht bitte, hier sachlich zu diskutieren.
Quellen: Ippen-Media, Bild, Wikipedia
Die 66 Jahre seither waren geprägt von teils heftigen öffentlichen Debatten und Protesten.
Eine Chronologie zur Geschichte der Atomkraft in Deutschland und des Widerstandes gegen Atomkraftwerke und den dort erzeugten Atommüll.
Die Anfänge
1955 schafft die damalige Bundesregierung ein Ministerium für Atomfragen unter Leitung des späteren CSU-Chefs Franz Josef Strauß.
Noch gibt es Spötter: Der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard zum Beispiel hält das Ressort für überflüssig – es gebe ja schließlich auch kein Dampfkesselministerium.
Doch Strauß profiliert sich schnell. 1957 wird als erster Atomreaktor in Deutschland der Forschungsreaktor der Technischen Hochschule München in Betrieb genommen.
Zwei Jahre später wird das Atomgesetz verkündet – die Rechtsgrundlage für den Bau und Betrieb von Atomkraftwerken.
Der erste Atomstrom
1961 beginnt das Atomkraftwerk Kahl in Bayern als erster deutscher Meiler mit der Einspeisung von Atomstrom in das öffentliche Netz.
Das Land ist parteiübergreifend im Atomfieber – zumindest was die friedliche Nutzung angeht.
1974 geht der weltweit erste 1200-Megawatt-Block im hessischen Biblis ans Netz. Parallel baut auch die DDR auf die Nutzung der Atomkraft.
1966 geht dort das erste AKW im brandenburgischen Rheinsberg in den Leistungsbetrieb.
Beginn der Proteste
1975 kommt es zu ersten großen Protesten gegen den Bau eines Atomkraftwerkes im südbadischen Wyhl.
Bürger-Proteste, Bauplatz-Besetzung und ziviler Ungehorsam verhindern letztendlich den Bau des Meilers.
Von Mitte der Siebziger- bis Mitte der Achtzigerjahre gibt es weitere Massenproteste vor allem in Brokdorf, Gorleben und gegen eine damals geplante Wiederaufarbeitungsanlage für Atommüll in Wackersdorf.
Problem Atommüll
1984 wird das Brennelement-Zwischenlager Gorleben für schwachradioaktive Abfälle in Betrieb genommen.
Es soll die Zeit bis zum Bau eines in der Nähe geplanten Atommüll-Endlagers überbrücken.
Wenige Jahre später wird das Projekt der Wiederaufarbeitung von Atommüll in Deutschland angesichts der Proteste aufgegeben.
Deutscher Atommüll wird stattdessen zur Vorbereitung für die Endlagerung nach Frankreich und Großbritannien gebracht.
Ausstieg im Osten
1990 wird die ostdeutsche Atomindustrie nach der Wiedervereinigung wegen Sicherheitsbedenken abgewickelt.
Geheime Papiere der "Ständigen Kontrollgruppe Anlagensicherheit" dokumentieren, wie marode die DDR-Kernkraftwerke sind und wie das Personal schlampte.
Die Reaktoren in Greifswald und Rheinsberg werden stillgelegt.
Der Gorleben-Konflikt
"Deutschland im Aufruhr" schreibt die "Neue Zürcher Zeitung", als 1995 unter massivem Polizeiaufgebot die ersten Castor-Transporte mit aus Frankreich, später auch aus Großbritannien zurückgebrachtem Atommüll nach Gorleben rollen.
Wie in den folgenden Jahren werden die Transporte von heftigen Protesten begleitet.
Der Ausstiegsbeschluss
Nach ihrem Wahlsieg 1998 schreiben SPD und Grüne den Atomausstieg als Ziel im Koalitionsvertrag fest.
2002 wird dieser nach langen Verhandlungen gesetzlich festgeschrieben.
Für die Atomkraftwerke wird eine Gesamtlaufzeit von rund 32 Jahren festgelegt, ausgedrückt in noch zu produzierenden Reststrommengen.
Damit sollte das letzte AKW rechnerisch im Jahr 2022 abgeschaltet werden.
Laufzeitverlängerung
Nach dem Regierungswechsel 2009 verlängert die CDU/FDP-Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wieder die Laufzeiten für die noch verbliebenen 17 AKW um acht bis 14 Jahre.
Grundsätzlich bleibt der Ausstiegsbeschluss aber bestehen.
Neuer Ausstieg
Die erneute Kehrtwende kommt nach der Reaktorkatastrophe 2011 im japanischen Fukushima.
"Wir haben eine neue Lage", verkündet Kanzlerin Merkel.
Acht ältere deutsche Atomkraftwerke werden sofort vom Netz genommen beziehungsweise bleiben abgeschaltet, für die übrigen neun Anlagen werden feste Daten für eine schrittweise Abschaltung bis Ende 2022 festgelegt.
Endlager-Konsens
Dies ebnet auch 2013 den Weg für einen parteiübergreifenden Konsens für einen neuen Anlauf zur Suche nach einem Endlager, wo hochradioaktiver Atommüll möglichst für eine Million Jahre sicher gelagert werden kann – ausgehend vom Prinzip einer "weißen Landkarte".
Eigentlich sollte bis 2031 ein Standort gefunden und bis 2050 ein Endlager errichtet werden.
Inzwischen ist dieser Zeitplan obsolet, neue Termine gibt es aber noch nicht. Gorleben steht als Standort jedoch nicht mehr zur Diskussion.
Die neue Debatte
Die durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise sorgt kurz vor der geplanten Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke noch einmal für neue Debatten, Forderungen nach einem Abrücken vom Atomausstieg werden laut.
Festgelegt wird nach einem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein zusätzlicher, sogenannter Streckbetrieb für die drei AKW Emsland, Neckarwestheim und Isar 2.
Jetzt soll der Ausstieg auch dort endgültig vollzogen werden.
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Auch wenn der Atom-Strom sicher nicht der Weisheit letzter Schluss ist, grade wegen des anfallenden Atommülls, hätte man trotzdem die drei verbleibenden Atommeiler bis etwa Ende des Jahrzehnts "sicher" als Grundlastreserve laufen lassen können.
In vielen Ländern um uns herum wird aktuell sogar verstärkt auf Atomkraft gesetzt...
Außerdem:
Mit der geplanten Abschaltung der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke am heutigen Samstag wird das Weltklima einer Studie zufolge mit 15 Millionen Tonnen zusätzlich ausgestoßenem Treibhausgas CO2 pro Jahr belastet.
"Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Wegfall der Kernenergie kurzfristig durch stärkere Kohleverstromung und mehr Strom aus Gaskraftwerken kompensiert wird“, sagte der Studien-Autor und Physiker der Universität Stuttgart, André Thess.
"Dies geht zulasten der CO2-Bilanz des deutschen Stromsektors und damit zu Lasten der deutschen Klimaschutzverpflichtungen.“
Thess ist einer von 20 Professoren, die im vergangenen Jahr eine Petition für den Weiterbetrieb der deutschen Kernkraftwerke in den Bundestag einbrachten.
Der Appell damals:
Das Festhalten am deutschen Atomausstieg gefährde die Versorgungssicherheit und bremse – zusammen mit anhaltender Kohleverstromung – den internationalen Klimaschutz.
Eine Bitte zum Schluss:
Versucht bitte, hier sachlich zu diskutieren.
Quellen: Ippen-Media, Bild, Wikipedia
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