SteveJ
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Bis zu 20 Millionen Deutsche hat Heinz Schenk regelmäßig von den 60ern bis in die 80er-Jahre vor dem Fernseher versammelt, er war ein großer Entertainer, ein Botschafter hessischer Ebbelwoi-Gemütlichkeit, ein Feindbild der Achtundsechziger, er wurde belächelt, besungen und bekämpft, vergessen, wiederentdeckt und wieder vergessen.
Nun, da er am 11. Dezember hundert Jahre alt geworden wäre, ist oft der Satz zu hören: "Er war ein Mann ohne Skandale."
Aber das stimmt nicht so ganz...
Es war im Mai 1998, also gut zehn Jahre nachdem der letzte “Blaue Bock“ auf Sendung gegangen war.
Und fünf Jahre nachdem Hape Kerkelings Filmsatire “Kein Pardon“ Schenk ein Denkmal gesetzt hatte.
Er spielte darin die nach ihm selbst gezeichnete Figur des abgehalfterten Fernsehmoderators Heinz Wäscher – auf eine selbstironische Weise, die ihm seine Kritiker nicht zugetraut hätten.
Für ein paar Jahre wurde der Songtext von der “Witzischkeit“, die angeblich keine Grenzen kennt, zum geflügelten Wort und Schenk zur Kultfigur auch des jungen Publikums.
Vermutlich war das ein Grund, warum der Regisseur und Frankfurter Intendant Peter Eschberg 1998 Schenk für Jacques Offenbachs Operette “La Périchole“ engagierte.
Schenk hatte sich zu jener Zeit mit Auftritten in Liesel Christs Volkstheater als Bühnenschauspieler etabliert, ein Comeback im ARD-Fernsehen mit “Fröhlich eingeSchenkt“ war dagegen nur mäßig verlaufen – der Hessische Rundfunk hatte die Show 1996 wieder eingestellt.
In “La Périchole“ spielte Schenk den Marquis de Satarem.
Die Figur eines alten Adeligen, der im Kerker sitzt und sich zwölf Jahre lang mit einem Messerchen einen Fluchttunnel bohrt, aber nur in der Nachbarzelle landet, wird traditionell mit einem Volksschauspieler besetzt.
Nach dem Willen Eschbergs sollte Schenk in der Rolle extemporieren, also spontan aus der Situation heraus formulieren und so die “albernen Kategorien des Werks“ bedienen und das “Lebensgefühl der Region“ vermitteln.
Bei der Premiere durchbrach Schenk die Zellenmauer und begann sogleich zu nörgeln – oder, um es auf Hessisch zu sagen: zu knottern.
Die Klage über seine erbarmungswürdige Lage schloss in dem Satz: “Ich beantrage Asyl in Weiterstadt.“
Das war politisch heikel...
Die südhessische JVA Weiterstadt stand als Synonym für den Linksterrorismus der RAF, die einen Sprengstoffanschlag auf die kurz vor der Eröffnung stehende Haftanstalt verübt hatte.
Ein Zuschauer quittierte die Anspielung mit Buhrufen, was den sonst so schlagfertigen Schenk sichtlich irritierte.
Als dann noch der Ruf “Hau doch ab“ ertönte, erwiderte er recht hilflos: “Abhauen – das will ich ja – aus dem Gefängnis.“
Es folgten weitere Pöbeleien: “Halt doch dein Maul, du linke Sau!“, beleidigten sich Zuschauer untereinander. 🙈
Komplett war der Bühnenskandal für die Konservativen im Publikum, als Schenk sich mit den Worten “Zwölf, 16 Jahre Kohl . . .“ über die karge Gefängniskost beschwerte.
Helmut Kohl war 16 Jahre Kanzler, die Bundestagswahl stand bevor...
Während Eschberg das alles als “sehr aufregenden und lebendigen Vorgang“ wertete, zeigte sich Schenk getroffen.
Direkte Anfeindungen war er nicht gewohnt.
Seit seinen Lehrjahren in der Fastnacht, dann als Radiomoderator und als Conférencier, schließlich mit dem “Blauen Bock“ für den Hessischen Rundfunk 21 Jahre lang 134-mal moderierte, hatte er das Publikum und die Lacher auf seiner Seite gehabt.
Dass er nun, auf dem ihm fremden Parkett der Hochkultur, derart angegangen und quasi in einen Theaterskandal verwickelt wurde, verunsicherte und verletzte ihn.
Vielleicht hat diese Verwundbarkeit damit zu tun, dass Schenk angreifbarer war als die anderen Entertainer, die mit ihm das Unterhaltungsfernsehen der Sechziger- bis Achtzigerjahre prägten.
Er war nicht so elegant wie Peter Alexander, nicht so charmant wie Hans-Joachim Kulenkampff, nicht so gut aussehend wie Joachim “Blacky“ Fuchsberger.
Schenk war klein, sprach Dialekt, wirkte auch ansonsten provinziell – aber genau dafür liebte ihn sein Publikum.
Er war der Mann aus dem Volk, er stand für gute Laune und Bembelseligkeit.
Die Sendung “Zum Blauen Bock“ hat er nicht erfunden, sondern von Otto Höpfner übernommen, aber er machte sie zusammen mit “Wirtin“ und Produzentin Lia Wöhr seit 1966 zu einer Institution im deutschen Fernsehen.
Dass die Sendung immer nach dem gleichen Schema ablief, war kein Manko, sondern ein Erfolgsrezept.
Jeder “Blaue Bock“ wurde aus einer anderen, meist hessischen Stadt übertragen, der Schenk vor dem eigentlichen Showbeginn ein von ihm selbst gedichtetes und gesungenes Porträt widmete.
Seine Reime waren meist liebevoll, manchmal ziemlich witzig, teils an der Grenze zum Nonsens (“Großkrotzenburg im Hessenland, ist vielen Leuten unbekannt“).
Als Landsknecht verkleidet und mit Hellebarde bewaffnet, lud er seine Zuschauer nach Biedenkopf ein:
“Beim letzten Brand da blieben acht Häuser hier nur steh’n – von diesen Missgeschicken ist heut nichts mehr zu sehen.“
Die ebenfalls zum Repertoire gehörenden Männer-Frauen-Scherze (“Frau Maier, auch Sie könnten etwas zur Verkehrssicherheit beitragen – verkaufen Sie Ihr Auto!“) wirken heute abgestanden, trafen aber den Nerv des Publikums, das sich, um es mit einem Titel von Tina York zu sagen, “das Singen nicht verbieten“ lassen wollte, weder von politischer noch von geschmäcklerischer Kulturkritik.
Heinz Schenk war auch als Sänger und Textdichter erfolgreich.
Seine getexteten Lieder wurden meist von dem bekannten Komponisten Franz Grothe komponiert, der auch bis zu seinem Tod 1982 im "Blauen Bock" mitwirkte, und in seinen Fernsehsendungen dargeboten.
Sein größter Hit (Platz 35 in den Verkaufscharts) war das anlässlich einer Blauer-Bock-Sendung aus Vaduz 1978 entstandene Lied "Es ist alles nur geliehen" mit dem er sogar in der ZDF-Hitparade auftrat.
Wieviel Wahres steckt bis heute in diesem Text...
Weitere bekannte Songs von ihm sind "Alles kann der Mensch sich kaufen – nur keine Zeit" und "Wir sind alle Marionetten" sowie der Karnevalsschlager "Heut ist Karneval in Knieritz an der Knatter", der in den 1970er und 1980er Jahren von Ernst Hilbich jedes Jahr in der Karnevalszeit im Blauen Bock präsentiert wurde – der Text wurde von Heinz Schenk jeweils neu umgeschrieben.
1985 sang Schenk auch das Lied der ARD-Fernsehlotterie "Gib dem Glück eine Chance".
So viel Widerständigkeit und Mut zur Provinzialität nötigten auch manchem, der sonst nicht viel für volkstümliche Musik übrig hatte, Respekt ab.
Die Rodgau Monotones kürten Schenk in “Die Hesse komme!“ 1984 zum Kulturbotschafter des Bundeslands.
“Unser David Bowie heißt Heinz Schenk“ lautete die Songzeile, die zwar lokalpatriotisch, aber natürlich ironisch gemeint war.
Denn mit dem glamourösen britischen Popmusiker hatte Schenk nun wahrlich nichts zu tun. Oder vielleicht doch?
Eine Gemeinsamkeit ist, dass auch Schenk sein Privatleben strikt von der Öffentlichkeit abschottete.
Jenseits der Kunstfigur, die Schenk auf der Bühne und vor der Kamera verkörperte, war allenfalls bekannt, dass er mit seiner Frau Gerti im Wiesbadener Ortsteil Naurod ein kleinbürgerlich-unspektakuläres Leben führte.
Nur in wenigen Interview-Ausschnitten gab er etwas von sich preis, einige davon sind in der Dokumentation “Der 20 Millionen Mann“ zu sehen, die Henriette von Hellborn und Sven Waskönig im Auftrag des Hessischen Rundfunks und des Südwestrundfunks zu Schenks hundertstem Geburtstag gedreht haben.
Eine Zeitzeugin, die in der Dokumentation zu Wort kommt, ist die Mainzer Sängerin Margit Sponheimer, wie Schenk ein Gewächs der Fastnacht und eine sehr enge Freundin von Heinz Schenk.
“Er hat sich immer abgeschirmt, als ob man ihn verletzen wollte“, sagt sie.
Aufnahmen aus dem Nauroder Eigenheim zeigen einen Garten, eine Waschbeton-Terrasse, einen Partykeller – ein heiles Heim am Rande der Großstadt, wie es sich in den Siebzigerjahren viele Kleinbürger einrichteten, wenn sie das nötige Geld dafür hatten.
Hier wollte sich Schenk nicht hineinsehen lassen. “Was ans Private geht, da war Sendepause“, sagt Sponheimer.
Eine Reporterin, die das nicht wusste, fragte ihn einmal, ob er und seine Frau sich Kinder gewünscht hätten.
Darauf reagierte Schenk mit einer Impulsivität, die nur halb gespielt war wie in seiner Rolle als cholerischer Heinz Wäscher, halb aber aus dem tiefsten Inneren zu kommen schien.
“Das ist eine dumme Frage“ und “Jetzt reichts mir aber“, schleuderte er der Fragestellerin entgegen und sagte damit vielleicht mehr, als wenn er inhaltlich geantwortet hätte.
Die Autoren der Dokumentation suchen den Ursprung dieser Verletzlichkeit, die Züge von Angst trägt, in Schenks Kindheit.
Die Ehe der Eltern – die Mutter war erst 17 Jahre, als er geboren wurde – ging früh auseinander, das Kind wuchs bei der Großmutter auf.
Als die Nazis an die Macht kamen, verlor die Mutter als “Halbjüdin“ ihre Stelle und musste untertauchen.
Schenk sagte später einmal auf die Frage nach Kindheitserinnerungen, es gebe sehr schöne, “aber auch manche, die ich übersehen möchte“.
Mehr war nicht aus ihm herauszulocken.
Einen letzten Eindruck vom Menschen Heinz Schenk bekam die Öffentlichkeit nach seinem Tod 2014.
Seine Ehefrau Gerti war kurz zuvor gestorben, danach habe Schenk der Lebenswille verlassen, erzählt Sponheimer.
Das Haus, in dem das Paar 45 Jahre gelebt hatte, wurde samt Inneneinrichtung zu Gunsten der Heinz-Schenk-Stiftung öffentlich versteigert.
Signierte Bembel, aber auch Wäsche, Urlaubsdias und viele private Erinnerungsstücke kamen unter den Hammer – bis hin zur Schrankwand im Stil des “Gelsenkirchner Barocks“ und den Zinntassen aus dem Partykeller.
Das Haus ist inzwischen abgerissen und wurde durch Reihenhäuser ersetzt.
“Hier hat der Show-Titan gelebt“, kommentierte ein Reporter seinerzeit.
So pietätlos es wirkte, wie die Schaulustigen durch das verlassene Haus stöberten, so aufschlussreich war die Szene doch.
Hier ging nicht nur ein Kapitel Fernsehgeschichte, sondern auch ein Stück Bundesrepublik zu Ende...
Die Zeit von Sendungen wie dem “Blauen Bock“ war so endgültig abgelaufen wie die von dunklen Schrankwänden und Zinngeschirr.
Zum hundertsten Geburtstag Schenks kann man sie noch einmal aufleben lassen:
Die Dokumentation “Der 20 Millionen Mann“ ist in der ARD-Mediathek abzurufen und läuft am 10. Dezember von 20.15 Uhr an im hr-Fernsehen und am 27. Dezember von 18.15 Uhr an im SWR.
Schenk erhielt in seinem künstlerischen Leben zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Hessischen Verdienstorden, den Bambi, die Hermann-Löns-Medaille und das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Für mich persönlich ist Heinz Schenk ein Teil meiner Kindheitserinnerungen, weil ich den "Blauen Bock" bei meiner Oma immer anschauen durfte.
Quellen: FAZ, Kölner Stadt-Anzeiger, MSN, Wikipedia
Nun, da er am 11. Dezember hundert Jahre alt geworden wäre, ist oft der Satz zu hören: "Er war ein Mann ohne Skandale."
Aber das stimmt nicht so ganz...
Es war im Mai 1998, also gut zehn Jahre nachdem der letzte “Blaue Bock“ auf Sendung gegangen war.
Und fünf Jahre nachdem Hape Kerkelings Filmsatire “Kein Pardon“ Schenk ein Denkmal gesetzt hatte.
Er spielte darin die nach ihm selbst gezeichnete Figur des abgehalfterten Fernsehmoderators Heinz Wäscher – auf eine selbstironische Weise, die ihm seine Kritiker nicht zugetraut hätten.
Für ein paar Jahre wurde der Songtext von der “Witzischkeit“, die angeblich keine Grenzen kennt, zum geflügelten Wort und Schenk zur Kultfigur auch des jungen Publikums.
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Vermutlich war das ein Grund, warum der Regisseur und Frankfurter Intendant Peter Eschberg 1998 Schenk für Jacques Offenbachs Operette “La Périchole“ engagierte.
Schenk hatte sich zu jener Zeit mit Auftritten in Liesel Christs Volkstheater als Bühnenschauspieler etabliert, ein Comeback im ARD-Fernsehen mit “Fröhlich eingeSchenkt“ war dagegen nur mäßig verlaufen – der Hessische Rundfunk hatte die Show 1996 wieder eingestellt.
In “La Périchole“ spielte Schenk den Marquis de Satarem.
Die Figur eines alten Adeligen, der im Kerker sitzt und sich zwölf Jahre lang mit einem Messerchen einen Fluchttunnel bohrt, aber nur in der Nachbarzelle landet, wird traditionell mit einem Volksschauspieler besetzt.
Nach dem Willen Eschbergs sollte Schenk in der Rolle extemporieren, also spontan aus der Situation heraus formulieren und so die “albernen Kategorien des Werks“ bedienen und das “Lebensgefühl der Region“ vermitteln.
Bei der Premiere durchbrach Schenk die Zellenmauer und begann sogleich zu nörgeln – oder, um es auf Hessisch zu sagen: zu knottern.
Die Klage über seine erbarmungswürdige Lage schloss in dem Satz: “Ich beantrage Asyl in Weiterstadt.“
Das war politisch heikel...
Die südhessische JVA Weiterstadt stand als Synonym für den Linksterrorismus der RAF, die einen Sprengstoffanschlag auf die kurz vor der Eröffnung stehende Haftanstalt verübt hatte.
Ein Zuschauer quittierte die Anspielung mit Buhrufen, was den sonst so schlagfertigen Schenk sichtlich irritierte.
Als dann noch der Ruf “Hau doch ab“ ertönte, erwiderte er recht hilflos: “Abhauen – das will ich ja – aus dem Gefängnis.“
Es folgten weitere Pöbeleien: “Halt doch dein Maul, du linke Sau!“, beleidigten sich Zuschauer untereinander. 🙈
Komplett war der Bühnenskandal für die Konservativen im Publikum, als Schenk sich mit den Worten “Zwölf, 16 Jahre Kohl . . .“ über die karge Gefängniskost beschwerte.
Helmut Kohl war 16 Jahre Kanzler, die Bundestagswahl stand bevor...
Während Eschberg das alles als “sehr aufregenden und lebendigen Vorgang“ wertete, zeigte sich Schenk getroffen.
Direkte Anfeindungen war er nicht gewohnt.
Seit seinen Lehrjahren in der Fastnacht, dann als Radiomoderator und als Conférencier, schließlich mit dem “Blauen Bock“ für den Hessischen Rundfunk 21 Jahre lang 134-mal moderierte, hatte er das Publikum und die Lacher auf seiner Seite gehabt.
Dass er nun, auf dem ihm fremden Parkett der Hochkultur, derart angegangen und quasi in einen Theaterskandal verwickelt wurde, verunsicherte und verletzte ihn.
Vielleicht hat diese Verwundbarkeit damit zu tun, dass Schenk angreifbarer war als die anderen Entertainer, die mit ihm das Unterhaltungsfernsehen der Sechziger- bis Achtzigerjahre prägten.
Er war nicht so elegant wie Peter Alexander, nicht so charmant wie Hans-Joachim Kulenkampff, nicht so gut aussehend wie Joachim “Blacky“ Fuchsberger.
Schenk war klein, sprach Dialekt, wirkte auch ansonsten provinziell – aber genau dafür liebte ihn sein Publikum.
Er war der Mann aus dem Volk, er stand für gute Laune und Bembelseligkeit.
Die Sendung “Zum Blauen Bock“ hat er nicht erfunden, sondern von Otto Höpfner übernommen, aber er machte sie zusammen mit “Wirtin“ und Produzentin Lia Wöhr seit 1966 zu einer Institution im deutschen Fernsehen.
Dass die Sendung immer nach dem gleichen Schema ablief, war kein Manko, sondern ein Erfolgsrezept.
Jeder “Blaue Bock“ wurde aus einer anderen, meist hessischen Stadt übertragen, der Schenk vor dem eigentlichen Showbeginn ein von ihm selbst gedichtetes und gesungenes Porträt widmete.
Seine Reime waren meist liebevoll, manchmal ziemlich witzig, teils an der Grenze zum Nonsens (“Großkrotzenburg im Hessenland, ist vielen Leuten unbekannt“).
Als Landsknecht verkleidet und mit Hellebarde bewaffnet, lud er seine Zuschauer nach Biedenkopf ein:
“Beim letzten Brand da blieben acht Häuser hier nur steh’n – von diesen Missgeschicken ist heut nichts mehr zu sehen.“
Die ebenfalls zum Repertoire gehörenden Männer-Frauen-Scherze (“Frau Maier, auch Sie könnten etwas zur Verkehrssicherheit beitragen – verkaufen Sie Ihr Auto!“) wirken heute abgestanden, trafen aber den Nerv des Publikums, das sich, um es mit einem Titel von Tina York zu sagen, “das Singen nicht verbieten“ lassen wollte, weder von politischer noch von geschmäcklerischer Kulturkritik.
Heinz Schenk war auch als Sänger und Textdichter erfolgreich.
Seine getexteten Lieder wurden meist von dem bekannten Komponisten Franz Grothe komponiert, der auch bis zu seinem Tod 1982 im "Blauen Bock" mitwirkte, und in seinen Fernsehsendungen dargeboten.
Sein größter Hit (Platz 35 in den Verkaufscharts) war das anlässlich einer Blauer-Bock-Sendung aus Vaduz 1978 entstandene Lied "Es ist alles nur geliehen" mit dem er sogar in der ZDF-Hitparade auftrat.
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Es ist alles nur geliehen
hier auf dieser schönen Welt,
es ist alles nur geliehen
aller Reichtum, alles Geld.
Es ist alles nur geliehen,
jede Stunde voller Glück,
musst du eines Tages gehen,
lässt du alles hier zurück!
Man sieht tausend schöne Dinge
und man wünscht sich dies und das,
nur was gut ist und was teuer,
es macht den Menschen heute Spaß.
Jeder will noch mehr besitzen,
zahlt er auch sehr viel dafür,
keinem kann es etwas nützen,
es bleibt alles einmal hier!
Jeder hat nur das Bestreben,
etwas Besseres zu sein,
schafft und rafft das ganze Leben
doch was bringt es ihm schon ein?
Alle Güter dieser Erde,
die das Schicksal dir verehrt,
sind dir nur auf Zeit gegeben,
und auf Dauer gar nichts wert.
Darum lebt doch euer Leben,
freut euch auf den nächsten Tag,
wer weiß schon auf diesem Globus,
was das Morgen bringen mag?
Freut euch an den kleinen Dingen,
nicht nur an Besitz und Geld,
es ist alles nur geliehen
hier auf dieser schönen Welt!
hier auf dieser schönen Welt,
es ist alles nur geliehen
aller Reichtum, alles Geld.
Es ist alles nur geliehen,
jede Stunde voller Glück,
musst du eines Tages gehen,
lässt du alles hier zurück!
Man sieht tausend schöne Dinge
und man wünscht sich dies und das,
nur was gut ist und was teuer,
es macht den Menschen heute Spaß.
Jeder will noch mehr besitzen,
zahlt er auch sehr viel dafür,
keinem kann es etwas nützen,
es bleibt alles einmal hier!
Jeder hat nur das Bestreben,
etwas Besseres zu sein,
schafft und rafft das ganze Leben
doch was bringt es ihm schon ein?
Alle Güter dieser Erde,
die das Schicksal dir verehrt,
sind dir nur auf Zeit gegeben,
und auf Dauer gar nichts wert.
Darum lebt doch euer Leben,
freut euch auf den nächsten Tag,
wer weiß schon auf diesem Globus,
was das Morgen bringen mag?
Freut euch an den kleinen Dingen,
nicht nur an Besitz und Geld,
es ist alles nur geliehen
hier auf dieser schönen Welt!
Wieviel Wahres steckt bis heute in diesem Text...
Weitere bekannte Songs von ihm sind "Alles kann der Mensch sich kaufen – nur keine Zeit" und "Wir sind alle Marionetten" sowie der Karnevalsschlager "Heut ist Karneval in Knieritz an der Knatter", der in den 1970er und 1980er Jahren von Ernst Hilbich jedes Jahr in der Karnevalszeit im Blauen Bock präsentiert wurde – der Text wurde von Heinz Schenk jeweils neu umgeschrieben.
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1985 sang Schenk auch das Lied der ARD-Fernsehlotterie "Gib dem Glück eine Chance".
So viel Widerständigkeit und Mut zur Provinzialität nötigten auch manchem, der sonst nicht viel für volkstümliche Musik übrig hatte, Respekt ab.
Die Rodgau Monotones kürten Schenk in “Die Hesse komme!“ 1984 zum Kulturbotschafter des Bundeslands.
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“Unser David Bowie heißt Heinz Schenk“ lautete die Songzeile, die zwar lokalpatriotisch, aber natürlich ironisch gemeint war.
Denn mit dem glamourösen britischen Popmusiker hatte Schenk nun wahrlich nichts zu tun. Oder vielleicht doch?
Eine Gemeinsamkeit ist, dass auch Schenk sein Privatleben strikt von der Öffentlichkeit abschottete.
Jenseits der Kunstfigur, die Schenk auf der Bühne und vor der Kamera verkörperte, war allenfalls bekannt, dass er mit seiner Frau Gerti im Wiesbadener Ortsteil Naurod ein kleinbürgerlich-unspektakuläres Leben führte.
Nur in wenigen Interview-Ausschnitten gab er etwas von sich preis, einige davon sind in der Dokumentation “Der 20 Millionen Mann“ zu sehen, die Henriette von Hellborn und Sven Waskönig im Auftrag des Hessischen Rundfunks und des Südwestrundfunks zu Schenks hundertstem Geburtstag gedreht haben.
Eine Zeitzeugin, die in der Dokumentation zu Wort kommt, ist die Mainzer Sängerin Margit Sponheimer, wie Schenk ein Gewächs der Fastnacht und eine sehr enge Freundin von Heinz Schenk.
“Er hat sich immer abgeschirmt, als ob man ihn verletzen wollte“, sagt sie.
Aufnahmen aus dem Nauroder Eigenheim zeigen einen Garten, eine Waschbeton-Terrasse, einen Partykeller – ein heiles Heim am Rande der Großstadt, wie es sich in den Siebzigerjahren viele Kleinbürger einrichteten, wenn sie das nötige Geld dafür hatten.
Hier wollte sich Schenk nicht hineinsehen lassen. “Was ans Private geht, da war Sendepause“, sagt Sponheimer.
Eine Reporterin, die das nicht wusste, fragte ihn einmal, ob er und seine Frau sich Kinder gewünscht hätten.
Darauf reagierte Schenk mit einer Impulsivität, die nur halb gespielt war wie in seiner Rolle als cholerischer Heinz Wäscher, halb aber aus dem tiefsten Inneren zu kommen schien.
“Das ist eine dumme Frage“ und “Jetzt reichts mir aber“, schleuderte er der Fragestellerin entgegen und sagte damit vielleicht mehr, als wenn er inhaltlich geantwortet hätte.
Die Autoren der Dokumentation suchen den Ursprung dieser Verletzlichkeit, die Züge von Angst trägt, in Schenks Kindheit.
Die Ehe der Eltern – die Mutter war erst 17 Jahre, als er geboren wurde – ging früh auseinander, das Kind wuchs bei der Großmutter auf.
Als die Nazis an die Macht kamen, verlor die Mutter als “Halbjüdin“ ihre Stelle und musste untertauchen.
Schenk sagte später einmal auf die Frage nach Kindheitserinnerungen, es gebe sehr schöne, “aber auch manche, die ich übersehen möchte“.
Mehr war nicht aus ihm herauszulocken.
Einen letzten Eindruck vom Menschen Heinz Schenk bekam die Öffentlichkeit nach seinem Tod 2014.
Seine Ehefrau Gerti war kurz zuvor gestorben, danach habe Schenk der Lebenswille verlassen, erzählt Sponheimer.
Das Haus, in dem das Paar 45 Jahre gelebt hatte, wurde samt Inneneinrichtung zu Gunsten der Heinz-Schenk-Stiftung öffentlich versteigert.
Signierte Bembel, aber auch Wäsche, Urlaubsdias und viele private Erinnerungsstücke kamen unter den Hammer – bis hin zur Schrankwand im Stil des “Gelsenkirchner Barocks“ und den Zinntassen aus dem Partykeller.
Das Haus ist inzwischen abgerissen und wurde durch Reihenhäuser ersetzt.
“Hier hat der Show-Titan gelebt“, kommentierte ein Reporter seinerzeit.
So pietätlos es wirkte, wie die Schaulustigen durch das verlassene Haus stöberten, so aufschlussreich war die Szene doch.
Hier ging nicht nur ein Kapitel Fernsehgeschichte, sondern auch ein Stück Bundesrepublik zu Ende...
Die Zeit von Sendungen wie dem “Blauen Bock“ war so endgültig abgelaufen wie die von dunklen Schrankwänden und Zinngeschirr.
Zum hundertsten Geburtstag Schenks kann man sie noch einmal aufleben lassen:
Die Dokumentation “Der 20 Millionen Mann“ ist in der ARD-Mediathek abzurufen und läuft am 10. Dezember von 20.15 Uhr an im hr-Fernsehen und am 27. Dezember von 18.15 Uhr an im SWR.
Schenk erhielt in seinem künstlerischen Leben zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Hessischen Verdienstorden, den Bambi, die Hermann-Löns-Medaille und das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Für mich persönlich ist Heinz Schenk ein Teil meiner Kindheitserinnerungen, weil ich den "Blauen Bock" bei meiner Oma immer anschauen durfte.
Quellen: FAZ, Kölner Stadt-Anzeiger, MSN, Wikipedia
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