Warum tut Fluchen so gut?

SteveJ

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WTF! Kruzifix! Leck mich am A...! Heilige Scheiße!
Durchschnittlich fluchen die Deutschen 9,5 Mal am Tag – und das ist verdammt gut so. 😜

"Schimpfen kann alles sein", sagt Schimpfwörter-Expertin Dr. Oksana Havryliv (52) von der Uni Wien. Auch gesund! :)

Seit 30 Jahren beschäftigt sich die Germanistin mit A...löchern, Scheiße und blöden Affen. :LOL:
Ihr neues Buch ("Nur ein Depp würde dieses Buch nicht kaufen") erscheint kommende Woche.

Warum schimpfen wir überhaupt? :unsure:

Für die meisten ist Fluchen ein Ventil: 73 Prozent der Menschen schimpfen, um sich abzureagieren. :mad)
Nur elf Prozent wollen damit andere beleidigen. 16 Prozent fluchen scherzhaft.

Beim Schimpfen bauen wir Stress ab, es ist schmerz- und angstlindernd, der Ersatz physischer Aggression.
Ein gelegentliches "fick dich" erspart uns also handgreifliche Gewalt – und das ein oder andere Magengeschwür.
Unterdrückte negative Gefühle können nämlich zu Depressionen, Bluthochdruck oder Entzündungen führen... :oops:

Fluchen lässt zwar einen Menschen nicht unbedingt höflich erscheinen, hat aber manchmal überraschend positive Effekte:
Es kann u.U. Schmerzen lindern und Beziehungen stärken.
Fast jeder hier wird wahrscheinlich das Gefühl kennen, wenn man sich z.B. mit dem Hammer auf den Daumen haut... ;)

Auch die Wissenschaftlerin Emma Byrne hat darüber ein Buch geschrieben: "Swearing is Good for You: The Amazing Science of Bad Language"

Aber bitte nicht übertreiben: Häufige verbale Aggression kann krankhaft sein, auf Dauer belasten und physische Gewalt provozieren.

Es gibt eine tolle Studie aus Australien und Neuseeland, die zeigt, dass scherzhaftes Necken und insbesondere Fluchen unter Freunden deutliche Hinweise darauf sind, dass zwischen diesen Freunden starkes Vertrauen besteht.
Wenn man sich diese Fälle ansieht und ähnliche Studien über effiziente Teamarbeit in der Herstellung oder Informationstechnik, erkennt man schnell, dass die, die miteinander Witze machen, die die Grenzen der Höflichkeit überschreiten – und da ist Fluchen mit inbegriffen –, ein großes Vertrauen zueinander zu haben. (y)

Das hängt vermutlich damit zusammen, dass Fluchen sich, genauso wie das Loben, auf emotionaler Ebene auswirkt.
Man zeigt damit, dass man sich mit dem Gegenüber ausreichend beschäftigt hat, um einschätzen zu können, wo für ihn die Grenze zwischen derbem Spaß und gemeiner Beleidigung verläuft.
Das ist ein äußerst schmaler Grat...
Wenn es gelingt, nur die Schimpfwörter zu benutzen, die für die andere Person akzeptabel sind, ist das ein Beweis dafür, dass man sie kennt und ihr mentales Modell versteht.

Hinterm Rücken schimpft es sich besser

Jeder flucht – selbst wenn man Wörter wie "Hurensohn" nicht in den Mund nimmt. Bereits gedachte Schimpfwörter zählen. ;)
So auch das Fluchen hinter jemandes Rücken. Das tun wir doppelt so häufig wie direktes Schimpfen. :oops:

Alleiniges Schimpfen ohne Zuhörer hat eine besonders starke Wirkung, da wir uns hemmungslos auslassen können, ohne uns danach zu schämen.
Es entlastet und wahrt sozialen Frieden. ☺️

Warum entstehen ständig neue Schimpfwörter? :unsure:

Von Gegenständen (Nervensäge), über Fäkalien (Scheiße), bis zu Tieren (du Affe): Schimpfwörter setzen sich aus allen Bereichen zusammen.
Zu den beliebtesten Beschimpfungen im Deutschen gehören "Idiot", "Trottel" und "A...loch".

Kein Wunder, dass es eine so große Vielfalt gibt und ständig neue entstehen.

"Wir sind beim Schimpfen konservativ. Die häufigsten Schimpfwörter sind seit Jahrzehnten dieselben", erklärt Dr. Oksana Havryliv.

Der Grund: Einige Begriffe verankern sich, selbst wenn sie stereotypisch überwunden sind.
So entwickeln Wörter wie "Bastard" eine universale Bedeutung.
Dr. Havryliv: "Die Herkunft wird teils ganz vergessen."

Gleichzeitig eignen wir uns durch die Globalisierung, Musik und soziale Medien stetig neue Wörter an (z.B. aus dem Englischen "Shit" oder "Fuck").
"Während die Erwachsenen eher auf gewohnte Bezeichnungen zurückgreifen, wandelt sich die Jugendsprache stärker“, erklärt die Germanistin.

Andere Beschimpfungen entstehen situationsbedingt. Beispiel: In der Coronazeit sind zahlreiche Masken-Flüche entstanden.
"Die Maske war ein Gegenstand, der uns genervt und verunsichert hat. Ihre Beschimpfung war eine Form der Angstbewältigung“, sagt Dr. Havryliv.

A...loch ist der "Zentralbegriff der deutschen Vulgarität"

"A...loch" steht auf Platz eins der Schimpfwörter-Liste. Aber welche Charaktereigenschaften sind damit genau gemeint? :unsure:

"A...löcher können miese, widerliche, niederträchtige Menschen sein oder mit konkreten Personen und Situationen assoziiert werden:
mein Chef, mein Ex, Politiker X, jemand, der mir die Parklücke wegschnappt [...]"
, schreibt die Expertin in ihrem Buch.

Kurz gesagt: Jeder von uns kann mal ein "A...loch" sein. 😜

Havryliv nennt die Bezeichnung deshalb den "Zentralbegriff der deutschen Vulgarität".
Andere Beispiele universaler Schimpfwörter sind "Miststück", "Scheißkerl" oder "blöde Kuh".

Fluchen Männer traditionell mehr als Frauen? Wenn ja, warum?

Absolut nicht!
Englischen Sprachhistorikern zufolge haben Frauen in der Vergangenheit ähnlich viele Beleidigungen und Schimpfwörter benutzt wie Männer.
Das änderte sich, als im Jahr 1673 ein Buch von Richard Allestree mit dem Titel "The Ladies Calling" erschien.
In diesem stand, dass fluchende Frauen sich auf eine Weise verhielten, die mit dem Frausein biologisch nicht kompatibel sei.
Sie würden demnach männliche Merkmale wie Gesichtsbehaarung entwickeln und unfruchtbar werden. :smilehappy)

Richard Allestree schrieb: "Es gibt kein Geräusch, das in den Ohren Gottes widerwärtiger klingt als ein Schimpfwort aus dem Mund einer Frau."

Es ist entsetzlich, aber es ist nach wie vor so, dass fluchende Männer akzeptabel sind und fluchende Frauen anstößig.
Man meint zwar, Frauen würden seltenerer und weniger Schimpfwörter verwenden als Männer, aber Studien haben gezeigt, dass das nicht der Fall ist.
Einstellungsbezogene Umfragen belegen jedoch, dass sowohl Frauen als auch Männer das Fluchen bei Frauen härter verurteilen – und das kann schwerwiegende Folgen haben.
Wenn zum Beispiel eine Frau, die an Brustkrebs oder Arthritis erkrankt ist, deshalb flucht, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass sie dadurch Freunde verliert – insbesondere weibliche.
Benutzt aber ein Mann Schimpfwörter, wenn er zum Beispiel über seinen Hodenkrebs spricht, bringt ihnen das seinen männlichen Freunden sogar näher, weil sie ein ähnliches Vokabular verwenden.
Für Frauen sind die Grenzen, innerhalb derer es ihnen erlaubt ist, negative Emotionen mit Schimpfwörtern auszudrücken, einfach viel enger gesteckt.

In der digitalen Welt kann man heute jemanden beschimpfen, ohne ihm oder ihr ins Gesicht sehen zu müssen.
Verändert sich dadurch die Art, wie wir fluchen? Wie wird das Fluchen in der Welt von morgen sein?


Dass Fehlen der Mimik ist eines der größten Probleme von Streitigkeiten, die online ausgetragen werden: Es entmenschlicht. :(

Doch das eigentliche Problem sind nicht die Schimpfwörter, sondern das Entwerten von Menschen basierend auf ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts und ihrer Sexualität unter Zuhilfenahme zivilisierter Sprache.
Donald Trump hat Hillary Clinton zum Beispiel "a nasty woman [eine scheußliche Frau]" genannt.
Er hätte auch andere, derbere Schimpfwörter nutzen können.
Das hat er aber nicht getan und das musste er auch nicht, weil die meisten von uns auch so verstanden haben, was er eigentlich meint. Da er aber nicht direkt ein Schimpfwort verwendet hat, war seine Ausdrucksweise im Diskurs akzeptabel.

Ich denke, das Fluchen wird zwangsläufig neu erfunden werden – allein in den letzten Jahren hat es sich stark gewandelt.
Jedes Mal, wenn sich die gesellschaftlichen Tabus ändern, erhält unsere Sprache neues Potenzial, uns zu überraschen, zu schockieren oder zu erstaunen.
Und jedes Mal verändert sich dadurch auch die emotionale Seite unseres Gehirns ein wenig.

Aber welche alten Tabus verschwinden und welche neuen dazukommen werden – das lässt sich leider nicht oder nur schwer voraussagen.

Hier im Board ist ja der Umgang miteinander - soweit ich das jedenfalls mitbekomme - i.d.R. recht gut und respektvoll. (y)
Man spricht hier auch von der sog. "Netiquette".
Ich hoffe, dass das auch möglichst lange noch so bleibt. :)


Quellen: Bild, National Geographic, Dr. Oksana Havryliv - "Nur ein Depp würde dieses Buch nicht kaufen", Emma Byrne- "Swearing is Good for You: The Amazing Science of Bad Language"
 
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Als ich noch arbeiten musste, bin ich morgens auch mit:"Leck mich am Arsch, verdammte Scheiße" o.ä. aufgestanden.
 
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