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Tsunami JapanAngst vor dem Atomunfall
Die Naturkatastrophe in Japan hatte auch Auswirkungen auf die Atomanlagen.
Es kam zu Störfällen. Wie gut sind die AKWs gegen die Folgen eines Erdbebens geschützt?
Infolge des Erdbebens und Tsunamis in Japan brach nach Meldungen der Nachrichtenagenturen in einem Turbinengebäude des Atomkraftwerks Onagawa ein Feuer aus. Die Abschaltung des Kraftwerks sei gelungen, versichern die Behörden, radioaktive Lecks seien nicht festgestellt worden. Zudem hat in einem der sechs Blöcke des Fukushima das Kühlsystem versagt. Daraufhin rief Japans Regierungschef Naoto Kan zum ersten Mal in der Geschichte des Landes den nuklearen Notfall aus, damit die Behörden leichter Notfallmaßnahmen ergreifen können.
In Onagawa verlief die Naturkatastrophe im Hinblick auf einen nachfolgenden Atomunfall glimpflich. Bei Fukushima sind die Folgen noch unklar. Japanische Medien berichten, dass in einem der sechs Meiler der Anlage das Kühlwasser aufgrund einer mechanische Fehlfunktion auf einen beunruhigend niedrigen Stand gesunken sei. Der Reaktorkern sei heiß und müsse nach der Abschaltung nun abkühlen. Das Amt für Atomsicherheit schließe nicht aus, dass aus dem beschädigten Reaktor Strahlung austreten könnte.
Automatische Schnellabschaltung
Grundsätzlich können beide Störfallarten in einen AKW bei einem unglücklichen Havarieverlauf einen GAU auslösen, also einen „Größten Anzunehmenden Unfall“. Nämlich dann, wenn der Reaktorkern nicht mehr gekühlt werden kann, weil die Kühlmittelpumpen ausfallen oder große Kühlwasserleitungen reißen.
Bei einem gefährlichen Störfall ist das erste Ziel, den Meiler herunter zu fahren. Das kann durch geregeltes Einfahren der Steuerstäbe in den Reaktorkern mittels eines elektrischen Antriebs geschehen. Die Steuerstäbe haben die Aufgabe, die Kettenreaktion im Reaktorkern zu steuern oder zu unterbrechen, indem sie die Neutronen absorbieren, die aus den gespaltenen Uran- und Plutoniumkernen in den Brennstäben davonfliegen und zur Energieerzeugung genutzt werden.
Im Notfall, etwa wie im aktuellen Fall bei einem Erdbeben, ist eine Schnellabschaltung vonnöten. Bei Siedewasserreaktoren, die auch in den drei Blöcken des AKW Onagawa arbeiten, werden die Steuerstäbe von unten in die dafür vorgesehenen Kanäle zwischen den Brennelementen im Kern gefahren. Die Schnellabschaltung erfolgt automatisch durch ein von der Stromversorgung unabhängiges hydraulisches System, etwa durch in Drucklufttanks gespeicherte Energie. In Druckwasserreaktoren fallen die Steuerstäbe hingegen durch ihre Schwerkraft in den Kern.
Es kann auch schlimmer kommen
Mit dem Einschießen der Steuerstäbe ist es aber nicht getan. Auch wenn die Kettenreaktion erloschen ist, muss aus dem über 300 Grad Celsius heißen Reaktorkern (das Innere der Brennstäbe wird sogar 1300 bis 2300 Grad heiß) noch die sogenannte Nachzerfallswärme abgeführt werden. Sie entsteht, wenn die im Zuge der Kettenreaktion entstandenen Spaltprodukte – also Atomkerne, die aus den zerfallenden Uran- und Plutoniumkernen hervorgingen – weiter zerfallen. Bei Siedewasserreaktoren kann das durch Ableiten von Dampf in einen Kondensationsbehälter geschehen. Weil der Dampf bereits viel Energie davon trägt, wird nur noch relativ wenig Kühlwasser zum Abführen der Restwärme benötigt. Dazu dient meist eine Hochdruckpumpe, die von einer kleinen Dampfturbine angetrieben wird.
Fällt die Kühlung vollständig aus, können entweder aufgrund einer durchgehenden Kettenreaktion, aber auch durch nicht abgeführte Nachzerfallswärme gravierende Schäden am Reaktor auftreten – bis hin zur Kernschmelze. Dazu müssen die Temperaturen die Schmelztemperatur von Uranoxid übersteigen, die bei 2800 Grad liegt. Bleibt das Ereignis auf die Anlage beschränkt (das heißt, dass das Containment intakt bleibt und keine radioaktiven Substanzen in die Umwelt gelangen), wäre dies ein GAU.
Es kann aber auch schlimmer kommen, wenn nämlich der Reaktorkern so heiß wird, dass seine geschmolzene Masse auf den Betonboden des Containments sinkt und sich durch diesen hindurch ins Erdreich frisst. Durch chemische Reaktion des geschmolzenen Metalls mit Wasserdampf kommt es zu Wasserdampfexplosionen, zugleich entsteht Wasserstoffgas, das mit dem im Sicherheitsbehälter vorhandenen Luftsauerstoff Explosionen auslösen kann. Bei Kontakt mit dem Grundwasser kann es schließlich zu Dampfexplosionen kommen, die radioaktive Nuklide in die Luft schleudern und so ganze Landstriche verseuchen. Dies wäre der Super-GAU.
Sicherheitsvorkehrungen greifen
Eine theoretisch mögliche, besonders schwerwiegende Variante dieses Havarieablaufs ist die Hochdruckkernschmelze. Die glühend heiße Schmelzmasse des Kerns kann in diesem Fall die Wand des Reaktorbehälters schwächen. Durch die hohe Temperatur wird gleichzeitig Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Diese können in einer sogenannten Knallgasreaktion explosionsartig miteinander reagieren und dabei den Reaktorbehälter zerstören, sodass radioaktive Substanzen entweichen können. Gegen diesen Unfallablauf wurden mittlerweile aber Sicherheitsmaßnahmen entwickelt.
Bislang blieb der Welt mit Ausnahme der Katastrophe von Tschernobyl – die aber andere Ursachen hatte – ein solches Schreckensszenario erspart. Auch jetzt, bei dem Erdbeben in Japan, haben die Sicherheitsvorkehrungen offenbar gegriffen. Ein Freibrief für die Zukunft ist dies aber nicht, denn es kann bei unvorhergesehenen Störfallabläufen auch einmal schief gehen.
"Den Grössten anzunehmenden Unfall" (Super - GAU)
sollte niemand erleben
Gruss Gollum