Zum 50. Jubiläum: Nehmt Euch Zeit für Momo!

SteveJ

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Immer ist da dieses Ticken. Wir hören es nicht, weil wir es nicht hören wollen.
Aber die Zeit, sie vergeht...
Tick tack. Tick tack. Wieder zwei Sekunden Leben weniger. Tick tack. Tick tack. Und wieder zwei.



Vor 50 Jahren hat Michael Ende sein kluges, poetisches Buch "Momo" veröffentlicht.
Untertitel: "Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte".

"Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen“, schrieb Michael Ende in seinem Märchenroman.

Ein halbes Jahrhundert später (tick tack, tick tack) ist dessen Botschaft wichtiger denn je.
Denn die miesen grauen Männer, die uns unsere Zeit stehlen möchten, tragen heute ein neues Gewand.
Nicht mehr fahl und leichenblass kommen sie daher.
Nein! Sie blitzen und blinken und locken uns mit Herzchen und "Gefällt mir"-Zuspruch.
Sie heißen Instagram und Facebook, Snapchat, TikTok und X.
Aber auch E-Mail-Programm, Smartphone, Smartwatch. Siri, Alexa und Fitness-App, YouTube, Streaming-Dienste oder WhatsApp.
Hirn- und Zeitfresser auf allen Kanälen... 🤪

Momo ist reich an Zeit und sie besitzt eine besondere Gabe: Sie kann den Menschen so zuhören, dass sie ihre Fantasie beflügelt, ihren Blick auf das Wesentliche lenkt.
Endes Roman ist in gewisser Weise visionär, hat seine grundlegende Thematik doch an Aktualität bis heute nicht verloren.
Denn, auch wenn sich Michael Ende nie als politischer Autor verstanden wissen wollte, hat er mit "Momo" Kritik an einem Wirtschaftssystem und einer Gesellschaftskultur üben wollen, die sich den Maximen der Rationalität, Nützlichkeit und des Wachstums verpflichtet sieht.

"Zeit" ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Indikator und für Ende das Schlüsselthema seines Romans.
Die Form eines Märchens, in der uns seine Gesellschaftskritik begegnet, wählte er dabei bewusst, um die Dinge zu zeigen, für die uns die rechten Begriffe fehlen.

Deshalb jetzt mal alle Maschinen stopp – und noch etwas in Vergessenheit Geratenes tun: wie das Mädchen Momo aufmerksam und ohne jede Ablenkung zuhören. :)
Zugegeben, eine Maschine muss man dafür doch einstellen. Den CD-Player.
Gestern erschien ganz neu das liebevoll arrangierte neue Hörspiel "Momo".
Regisseur Robert Schoen hat die alte Geschichte nur geringfügig gekürzt und mit großartig ausgewählten Sprecherinnen und Sprechern inszeniert.

Sobald Friedhelm Ptok als Erzähler beginnt, wird einem warm ums Herz. Die erst elfjährige Paula Drescher begeistert in der Hauptrolle. :D
Sie ist eine aufgeweckte, einfühlsame und ganz schön mutige Momo und Andreas Fröhlich ein sanfter Meister Hora.
Weil das alles zusätzlich von Tobias Unterbergs träumerischen Kompositionen unterlegt und ergänzt wird, müssten schon wirklich ausgebuffte graue Herren daherkommen, damit man gedanklich abschweifte.

Am 1. September 1973 ist "Momo" einst erschienen.
Neben "Jim Knopf" und "Die unendliche Geschichte" ist es Michael Endes bekanntestes Buch, das auch international große Bedeutung erfahren hat.
Kleine und große Fans ab zehn Jahren wissen, warum. :)
Seither hat sich Endes Roman mehr als zwölf Millionen Mal und in 53 Sprachen verkauft. 😮

Der Roman wurde 1986 mit Radost Bokel in der Hauptrolle verfilmt sowie 2003 als Zeichentrickserie umgesetzt.
Die Filmproduktionsfirma Rat Pack kündigte Anfang des Jahres eine Neuverfilmung an.

Neben zahlreichen nationalen wie internationalen Auszeichnungen wurde "Momo" 1974 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis bedacht.
Seit 1996 symbolisiert Endes Romanfigur Momo als Preisstatue den Deutschen Jugendliteraturpreis und verweist auf Michael Endes "Plädoyer für freie, unverplante Zeit, die heute so notwendig zu sein scheint wie damals".

Im Grunde kann man all die Ratgeberbücher dieser Welt in eine große Tonne schmeißen – in "Momo" ist alles notiert, was uns gehetzte, ausgebrannte, daueraktive Möchtegern-Multitask-Experten erdet.
  • Mehr Langsamkeit wagen, aber auch mehr Langeweile.
  • Einander ehrlich zugewandt sein.
  • Weniger tippen, mehr streicheln.
  • Weniger fotografieren, mehr sehen.
  • Weniger sharen, mehr teilen.
Und darauf vertrauen, dass die Welt nicht untergeht, wenn das WLAN versagt. ;)
Im Gegenteil: Sie geht auf! Kopf hoch und erleben. :love:
Tick tack. Tick tack...

Quellen: Ippen-Digital, Pressportal, SZ, Wikipedia
 
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