Weshalb der Größenunterschied zwischen Frauen und Männern zunimmt

SteveJ

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Zu Männern aufblicken? Biologisch betrachtet müssen Frauen das immer mehr.
Zwölf Zentimeter beträgt der durchschnittliche Unterschied zwischen Männern und Frauen international, in Deutschland sind es 14:
Während es der deutsche Mann im Mittel auf 180 Zentimeter bringt, erreicht die deutsche Frau nur 166 Zentimeter.
Doch der Unterschied zwischen den Geschlechtern nimmt in atemberaubendem Tempo zu. :oops:
Weltweit überragen Männer Frauen immer mehr, wie ein internationales Forscherteam gerade im Fachblatt Biology Letters der britischen Royal Society berichtet.

“Dort, wo sich die Lebensbedingungen verbessern und Umweltstressoren zurückgehen, ist die Zunahme an Körpergröße und Körpergewicht unter Männern mehr als doppelt so groß wie die von Frauen“, schreibt das Team um Lewis Halsey von der School of Life and Health Sciences der University of Roehampton.
Für ihre Analyse haben die Wissenschaftler Daten der Weltgesundheitsorganisation mit Erhebungen internationaler Behörden und britischen Aufzeichnungen seit Beginn des 20. Jahrhunderts ausgewertet.

Dass Menschen in Zeiten des Wohlstands größer werden, ist lange bekannt.
Denn neben den Genen, die die Körpergröße eines Menschen knapp zur Hälfte bestimmen, hat es einen erheblichen Einfluss, wie gut ein Kind ernährt wird und ob Krankheiten unbehandelt bleiben, die sein Wachstum hemmen.
Nicht umsonst liegen die Deutschen in Sachen Körperlänge international auf Platz 19, in den vergangenen 150 Jahren legten sie um knapp 15 Zentimeter zu.
Zwischen 1550 und 1850 änderte sich hingegen nicht viel.

In Großbritannien war die Entwicklung ähnlich.
Doch während die Männer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der neuen Auswertung zufolge im Durchschnitt von 170 auf 177 Zentimeter anwuchsen und damit um 4,0 Prozent, legten die Frauen nur um 1,9 Prozent zu – von 159 auf 162 Zentimeter.
“Um das in die richtige Perspektive zu rücken“, erklärte Halsey der britischen Zeitung Guardian:
Das bedeute, dass etwa eine von vier Frauen des Jahrgangs 1905 größer war als ein durchschnittlicher Mann ihres Jahrgangs, wärend das unter den 1958 Geborenen nur noch eine von acht Frauen schaffte.

“Insgesamt sehen wir in unseren Daten die gleiche Entwicklung“, sagt der Ökonom Jörg Baten, der an der Universität Tübingen seit 30 Jahren die Körpergröße von Menschen über die vergangenen 8000 Jahre erforscht.
Sein Schwerpunkt: die letzten 200 Jahre.
“Auch wir finden, dass die Unterschiede zwischen Männern und Frauen mit steigendem Wohlstand im 20. Jahrhundert zunahmen und dass dies nicht über die relative Entwicklung von Nahrung und Gesundheit erklärt werden kann.“

Aber was ist dann der Grund dafür? :unsure:
So ähnlich die Daten der Forscherteams sind – in deren Interpretation unterscheiden sich die Wissenschaftler erheblich.
Das Team um Halsey ist überzeugt, dass die sexuelle Attraktivität den Dimorphismus der Geschlechter antreibt.
Frauen würden nun einmal große und muskulöse Männer bevorzugen, das sei evolutionär bedingt, denn ein großer Körperbau stehe für Gesundheit, Wohlstand und mehr Durchsetzungskraft gegenüber Feinden.
Deshalb hätten groß und kräftig gebaute Männer einen evolutionären Vorteil.
“Wir sehen, wie sexuelle Selektion den männlichen und weiblichen Körper geformt hat“, so Halsey.

Jörg Baten ist da skeptisch. “Wir gehen davon aus, dass ein großer Unterschied in der Körpergröße zwischen den Geschlechtern eigentlich das Normale ist“, sagt er.
So habe der sexuelle Dimorphismus beim Vormenschen Australopithecus, sogar 40 Zentimeter betragen – und das, obwohl diese Homininen im Durchschnitt wohl nur 130 Zentimeter groß waren.

Dass Frauen und Männer dann über die Jahrtausende näher zusammengerückt seien, sei eher auf Unterversorgung zurückzuführen.
“In sehr stressigen Zeiten werden die Körper kleiner, aber die Körper von Frauen können nur zu einem gewissen Grad reduziert werden“, so Baten.
Denn Frauen müssen genug Reserven und genügend große Organe für das Austragen von Kindern bereithalten.
Unter ungünstigen Lebensumständen sei ein kleinerer Unterschied in der Körperlänge zwischen den Geschlechtern deshalb biologisch determiniert.
Werden die Zeiten besser, wächst der Unterschied wieder, wobei auch gesellschaftliche Faktoren hinzukommen können.
So zeigte Batens Team, dass Jungen sich dort besonders weit von den Mädchen absetzen, wo es große Geschlechterungleichheit gibt – etwa im China und Südkorea der 1980er-Jahre.
“Sie werden dann wahrscheinlich mit mehr und besserem Essen versorgt als die Mädchen“, so Baten.

Doch auch der Wohlstand hat seine Grenzen. Insgesamt verlangsamt sich der Trend in immer höhere Höhen gerade – oder kehrt sich sogar um:
Im reichen Europa werden die Menschen seit einigen Jahrzehnten nicht mehr größer.
Selbst in den Niederlanden, wo derzeit die längsten Menschen der Welt leben, bleiben die Kinder mittlerweile hinter ihren Eltern zurück:
Männer, die 2001 geboren wurden, sind im Vergleich zum 1980er-Jahrgang um einen Zentimeter geschrumpft, Frauen sogar um 1,4 Zentimeter.

Womöglich, aber auch das ist nur eine Theorie, hängt das damit zusammen, dass mit dem Wohlstand mittlerweile nicht mehr nur bessere Gesundheit einhergeht, sondern auch viele Krankheiten etwa durch Übergewicht.
Und auch Körpergröße per se ist nicht nur vorteilhaft.
Sehr große Menschen haben mehr Knie- und Rückenprobleme und sogar ein erhöhtes Krebsrisiko – einfach weil der Körper aus mehr Zellen besteht, die potenziell zum Tumor werden können...
 
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