SteveJ
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Am Wochenende vom 29. April bis 1. Mai 1994 fand der Große Preis von San Marino (offiziell 14º Gran Premio di San Marino) auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari im italienischen Imola statt und war das dritte Rennen der Formel-1-Weltmeisterschaft 1994 sowie das erste der Saison in Europa.
Was bei der Anreise keiner der Teams ahnen konnte: Es sollte eines der schwärzesten Rennwochenende in der Formel-1-Geschichte werden... 😔
In der Konstrukteurswertung führte Benetton-Ford mit zehn Punkten vor Ferrari und mit 13 Punkten vor Jordan-Hart.
Johnny Herbert bestritt seinen 50. und Gerhard Berger seinen 150. Grand Prix.
Mit Ayrton Senna trat ein ehemaliger Sieger (dreimal) zu diesem Grand Prix an.
Senna, in den vorherigen beiden Rennen jeweils vorzeitig ausgeschieden, hatte Schwierigkeiten damit, die richtige Abstimmung für seinen Wagen zu finden.
Er und sein Teamkollege Hill hatten ihr Cockpit inklusive Lenksäule und Monocoque modifizieren lassen, um mehr Bewegungsfreiheit zu erhalten...
Der Österreicher Roland Ratzenberger hatte sich die Chance hart und lang erarbeitet, einmal in der Formel 1 fahren zu dürfen.
"Er hatte nicht das Naturtalent eines Senna, eines Häkkinen oder eines Barrichello, also hat er viel härter gearbeitet, um die Dinge zum Laufen zu bringen", so der erfahrene Formel-3-Teamchef Dick Bennetts.
"Er war ein guter Allrounder und sehr anpassungsfähig, aber er hat es wegen seiner Arbeitsmoral geschafft."
Mit schwindenden Mitteln und stagnierender Formelkarriere konfrontiert, suchte Ratzenberger ab 1989 sein Glück in Japan. Dort gab es Geld.
Japanische Sportwagen-Meisterschaft für Toyota, japanische Formel 3000. Nebenbei regelmäßige Auftritte bei den 24 Stunden von Le Mans.
Ein Versuch, 1993 beim neuen Jordan-Team anzudocken, fiel mangels Sponsoren flach.
Dann kam sie, die Chance, auf die er seit Ewigkeiten hingearbeitet hatte. In Monaco traf er die Sport- und Musik-Managerin Barbara Behlau.
Er kam zu ausreichend Budget, um sich wenigstens für die ersten fünf Rennen 1994 beim Formel-1-Neueinsteiger Simtek einzukaufen.
"Ich fragte ihn: Warum?", erinnert sich sein alter Le-Mans-Partner Mauro Martini.
"Warum machst du das? Für mich war das sinnlos. In die Formel 1 musst du mit einem der fünf, sechs Top-Teams. Wenn du für sie Ergebnisse einfährst, bleibst du.
Fährst du für die anderen fünf oder sechs, dann kommst du, und du gehst wieder. Die Leute vergessen dich."
Er sollte aber aus anderen Gründen nicht vergessen werden...
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Während des ersten Qualifikationstrainings am Freitag, dem 29. April, hatte dann der brasilianische Pilot Rubens Barrichello mit seinem Jordan-Hart den ersten schweren Unfall des Wochenendes:
Sein Wagen hob bei einer Geschwindigkeit von etwa 225 Kilometern pro Stunde beim Überfahren der Curbs in der Schikane Variante Bassa ab und prallte gegen die Oberkante eines Reifenstapels.
Anschließend überschlug sich der Wagen mehrere Male, bevor er mit den Rädern nach oben liegen blieb.
Barrichello, bei dem sich durch den Unfall die Zunge vor die Luftröhre legte und der durch den Sauerstoffmangel das Bewusstsein verlor, wurde unmittelbar nach dem Unfall noch auf der Strecke medizinisch behandelt und anschließend in ein Krankenhaus gebracht.
Eine gebrochene Nase und ein Gipsverband am Arm zwangen ihn dazu, das restliche Rennwochenende als Fahrer auszusetzen...
-------------
Einen Tag später während des zweiten Qualifikationstrainings am Samstag überfuhr der Simtek-Pilot Roland Ratzenberger (33), der zuvor erst ein Formel-1-Rennen bestritten hatte, bei der Schikane Acque Minerale die Curbs und beschädigte vermutlich dadurch seinen Frontflügel.
Eigentlich ein nicht ungewöhnlicher Vorfall an einem Rennwochenende, doch statt in die Boxengasse zurückzukehren, startete er erneut eine schnelle Runde.
Bei über 300 km/h verlor sein Wagen den Frontflügel, der dann unter die Vorderräder geriet, so dass diese keinen Kontakt mehr zum Boden hatten.
Dies machte es Ratzenberger quasi unmöglich, den Wagen zu steuern und in den Rechtsknick der Villeneuve-Kurve einzulenken.
Er prallte mit 290 km/h fast frontal in die Betonmauer der Kurve.
Nach dem Aufprall wurde das Auto zurück auf die Strecke geschleudert, wo es verlangsamte und zum Stillstand kam...
Obwohl das Monocoque größtenteils intakt blieb, führte die enorme Kraft des Aufpralls zu einem Schädelbasisbruch sowie zum Bruch der Halswirbelsäule.
Das Qualifying wurde sofort abgebrochen, Streckenposten und medizinisches Team waren kurz darauf vor Ort.
Ratzenberger wurde zwar noch mit einem Rettungswagen abtransportiert und mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen.
Im Krankenhaus wurde später bekannt gegeben, dass Ratzenberger seinen schweren Verletzungen erlegen sei... 😔
Er war damit das erste Todesopfer bei einem Formel-1-Rennen seit dem Großen Preis von Kanada 1982, bei dem Riccardo Paletti gestorben war.
Eine Tragödie, die den routinierten Ayrton Senna enorm aufwühlte und ihn am Sinn seines Tuns erheblich zweifeln ließ.
Es gab Momente, in denen er gedankenverloren an seinem Williams lehnt und ins Leere starrt...
Hinzu kamen die schon angesprochenen Probleme mit seinem neuen Arbeitsgerät in seinem ersten Jahr bei Williams.
Er hatte mit dem modifizierten und schwer steuerbaren Auto schon etliche Dreher hinter sich. Er war ohne WM-Punkt nach Imola gekommen.
Am Ende entschied er sich für den Start.
Senna hatte sich vor Schumacher, dem Führenden in der WM-Gesamtwertung, für die Pole-Position qualifiziert.
Berger erreichte in der Qualifikation den dritten Platz, Sennas Teamkollege Hill den vierten Platz. Die Rundenzeit, die Ratzenberger vor seinem tödlichen Unfall gefahren hatte, hätte ihn auf den 26. und somit letzten Startplatz gebracht.
-------------
Sie argumentierten, dass das Safety-Car nicht schnell genug fahren könne, um die Reifen der Formel-1-Wagen vor dem Start, während es das Feld auf der Einführungsrunde anführt, auf die notwendige Temperatur zu bringen.
Außerdem argumentierten sie, dass ein ähnliches Problem auftreten könne, wenn das Safety-Car während des Rennens zum Einsatz käme.
Die Rennkommissare nahmen diese Bedenken zur Kenntnis, ohne etwas am Safety-Car zu ändern.
Zwar verzichteten die Kommissare auf einen Einsatz in der Einführungsrunde; ließen sich aber nicht davon abbringen, es im Rennen zu benutzen...
Beim Start des Rennens blieb das Auto des fünftplatzierten Fahrers JJ Lehto liegen.
Die Sicht des von Platz 22 startenden Pedro Lamy auf Lehto war durch andere Rennwagen versperrt.
Lamy kollidierte mit Lehtos Wagen, von dem daraufhin Räder und Teile der Karosserie über den Sicherheitszaun schleuderten und neun Menschen leicht verletzten.
Obwohl die Zielgerade mit scharfkantigen Wrackteilen übersät war, wurde das Rennen nicht abgebrochen, sondern durch den Einsatz des Safety-Cars neutralisiert, um so unter sicheren Bedingungen die Trümmer von der Strecke räumen zu können.
Die Bremsen des Opels waren bereits weitestgehend wirkungslos, nachdem es zwei Runden mit Höchsttempo hinter sich hatte. 🙈
Unglaublich:
Der hinter dem Safety-Car in Führung liegende Senna fuhr dann sogar an einer Stelle kurz neben dem Safety-Car, um ihm zu signalisieren, schneller zu fahren!
Es kam, was kommen musste: Reifentemperatur und -druck der Rennwagen sanken durch die geringere Geschwindigkeit erheblich...
Nachdem die Unfallstelle geräumt und von Trümmern gesäubert war, fuhr das Safety-Car zurück in die Boxengasse, und das Rennen wurde mit einem fliegenden Start zu Beginn der sechsten Runde fortgesetzt.
Kameraaufnahmen zeigen, dass Sennas Auto daraufhin in der Tamburello-Kurve funkenschlagend aufsetzte.
Eine Runde später nahm die Katastrophe seinen Lauf.
Sennas Williams FW16 schoss offensichtlich unlenkbar mit etwa Tempo 330 aus der langgezogenen Tamburello-Kurve tangential geradeaus.
Durch eine Vollbremsung konnte er die Geschwindigkeit seines Wagens wohl noch verringern und prallte mit 211 km/h in spitzem Winkel gegen die Streckenbegrenzungsmauer.
Durch die große Wucht des Aufpralls wurde das Auto zurück auf den Streckenrand geschleudert, wo es liegen blieb.
Beim Einschlag in die Mauer löste sich ein Teil der Vorderradaufhängung, durchschlug Sennas Helmvisier und verletzte ihn tödlich am Schädel.
Unmittelbar nach dem Unfall, um 14:17 Uhr Ortszeit, wurde das Rennen mit der "Roten Flagge“ abgebrochen.
Der legendäre Rennarzt Prof. Sid Watkins erreichte die Unfallstelle, um Senna zu versorgen.
Kamerabilder zeigten, dass sich Sennas Helm für einen kurzen Augenblick bewegte, wodurch es schien, als lebe der Fahrer.
Anschließend wurde er aus dem Wrack gehoben und mehrere Minuten lang am Streckenrand medizinisch behandelt.
Senna lag aber vollkommen reglos da.
Das Treiben um ihn wurde immer hektischer, so dass man zu diesem Zeitpunkt schon das Schlimmste vermuten konnte...
Während der Behandlung erlaubte das Larrousse-Team versehentlich seinem Fahrer Érik Comas, die Boxengasse trotz gesperrter Rennstrecke zu
verlassen.
Streckenposten versuchten, ihm mit Flaggen anzuzeigen, dass er langsamer fahren solle, trotzdem erreichte er die Unfallstelle mit hoher Geschwindigkeit.
Comas konnte jedoch rechtzeitig bremsen; er zog sich daraufhin vom Rennen zurück...
Senna wurde anschließend per Rettungshubschrauber zum Maggiore-Krankenhaus in der Nähe von Bologna geflogen.
38 Minuten nach dem Rennabbruch, um 14:55 Uhr Ortszeit, wurde das Rennen erneut gestartet.
Obwohl Berger das Feld anführte, lag insgesamt Schumacher an erster Position, da aufgrund des Rennabbruchs die Rennzeiten der Fahrer vor dem Abbruch addiert wurden.
In der zwölften Runde setzte sich Schumacher an die Spitze des Feldes, vier Runden später gab Berger mit Lenkungsproblemen auf.
Während eines Boxenstopps von Schumacher übernahm Nicola Larini kurzzeitig die Führung.
Zehn Runden vor Ende des Rennens verlor Michele Alboretos Minardi beim Verlassen der Boxengasse sein rechtes Hinterrad.
Der Reifen traf zwei Ferrari- und zwei Lotus-Mechaniker, die danach im Krankenhaus behandelt werden mussten.
Schumacher gewann das Rennen vor Larini und Mika Häkkinen und erreichte mit insgesamt 30 Punkten das bestmögliche Ergebnis der ersten drei Saisonrennen.
Für Larini waren es die ersten Weltmeisterschaftspunkte und die einzige Podiumsposition seiner Formel-1-Karriere.
Bei der Siegerehrung wurde aus Respekt vor Ratzenberger und Senna kein Champagner versprüht...
In der Fahrerwertung baute Schumacher seinen Vorsprung weiter aus. Hill und Barrichello folgten punktgleich dahinter.
In der Konstrukteurswertung blieb Benetton vor Ferrari, neuer Dritter war Williams.
-------------
Um 18:40 Uhr Ortszeit, mehr als zwei Stunden nach Rennende, gab Sennas behandelnde Ärztin, Dr. Maria Teresa Fiandri, seinen Tod bekannt.
An jenem 01. Mai 1994 endete das Leben eines Mannes, für den der Begriff Superstar neu definiert werden musste.
Ayrton Senna da Silva war nicht einfach ein Rennfahrer.
Der Brasilianer, Sohn aus gutem Hause, war der Prototyp eines Menschen, dem das Leben sein ganzes Füllhorn gönnte.
Er war belesen, weltoffen, spielte Klavier, sammelte Kunst, zitierte altgriechische Philosophen und las Shakespeare und Freud.
Senna hatte auch beabsichtigt, seinen 42. Sieg dem am Vortag verstorbenen Ratzenberger zu widmen.
In seinem Unfallwagen fand man eine österreichische Flagge, die er vermutlich bei einer Auslaufrunde geschwenkt hätte... 😔
Er bestritt in der Formel 1 insgesamt 161 Große Preise mit Toleman, Lotus, McLaren und Williams, erreichte dabei 41 Siege, 65 Pole-Positions sowie 19 schnellste Runden.
Seine größten Erfolge errang er mit McLaren-Honda.
Senna erhielt am 5. Mai 1994 in São Paulo ein Staatsbegräbnis. Etwa 500.000 Menschen säumten die Straßen, um den Sarg zu sehen.
Viele Fahrer und Funktionäre der Formel 1 nahmen an Sennas Beerdigung teil.
Die Geschehnisse des Wochenendes hat der britische Star-Regisseur und Oscar-Preisträger Asif Kapadia im mehrfach prämierten und sehenswerten Film "Senna" dokumentiert.
-------------
Die ersten beiden Plätze der Startaufstellung des zwei Wochen später stattfindenden Großen Preises von Monaco wurden in Gedenken an die beiden Toten mit den Farben der brasilianischen und der österreichischen Flagge angemalt und unbesetzt gelassen.
Vor Beginn des Rennens gab es zudem eine Schweigeminute.
Beim Qualifying zum GP von Monaco hatte mit Karl Wendlinger erneut ein Österreicher einen schweren Unfall.
Wendlinger erwachte erst drei Wochen später aus seinem Koma.
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Bei den folgenden Großen Preisen von Spanien und Kanada der Saison 1994 wurden zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Die langjährig für Formel-1-Rennen genutzte Rennstrecke in Imola wurde nach dem 1994er Grand Prix stark verändert.
Die Tamburello-Kurve, in der auch schon Nelson Piquet (1987) und Gerhard Berger (1989) schwer verunglückt waren, wurde zu einer Schikane umgebaut, um die Geschwindigkeit der Wagen zu verringern.
Auch die Anfahrt auf andere schnelle Passagen und Kurven wurde durch enge Schikanen verlangsamt, Auslaufzonen wurden vergrößert.
Nach dem Rennen wurde die Grand Prix Drivers’ Association (GPDA) neu gegründet, die 1961 erstmals gegründet und 1982 wieder aufgelöst worden war.
Ziel der GPDA wurde es, Fahrern zu erlauben, über Sicherheitsprobleme und ihren Standpunkt zu diesem Thema zu diskutieren und die Sicherheitsstandards zu erhöhen.
Die GPDA nahm fortan großen Einfluss auf die Gestaltung der Formel-1-Strecken.
Die Einstellung hinsichtlich der Priorität von Sicherheitsfragen änderte sich bei Piloten, Konstrukteuren und Teamchefs.
Relativ zeitnah eingeführte Verbesserungen der Sicherheit waren herausnehmbare Sitze, verschärfte Crashtests sowie größere, hochgezogene Cockpits.
Ab 1996 wurde das Safety Car von Mercedes-AMG gestellt und von professionellen Rennfahrern gefahren. Technisch entsprach es einem Renn-Tourenwagen.
Verbesserungen wie durch Stahlseile verankerte Räder und das Kopf- und Nackenschutzsystem HANS, die beide zunächst bei der Champ-Car-Serie eingesetzt wurden, waren Beispiele für ein Umdenken auch über die Formel 1 hinaus.
In den 30 Jahren seit Sennas Tod hat die Formel 1 ihr Gesicht komplett verändert, der Tod an der Betonmauer ist ein Mythos aus vergangenen Zeiten.
Aus jenen Zeiten, als Ayrton Senna die Formel 1 prägte.
Sennas Tod, sagte sein enger Freund und früherer Teamkollege Gerhard Berger einst dem Spiegel, "war so als sei die Sonne vom Himmel gefallen".
Die Legende ist aber unsterblich, sie lebt weiter!
Quellen: Ippen-Digital, Spiegel, NZZ, Motorsport-Magazin, Eurosport, Wikipedia
Was bei der Anreise keiner der Teams ahnen konnte: Es sollte eines der schwärzesten Rennwochenende in der Formel-1-Geschichte werden... 😔
Hintergrund
Nach dem Großen Preis des Pazifiks führte ein aufstrebender, junger Deutscher namens Michael Schumacher in der Fahrerwertung mit 13 Punkten vor Rubens Barrichello und 14 Punkten vor Damon Hill.In der Konstrukteurswertung führte Benetton-Ford mit zehn Punkten vor Ferrari und mit 13 Punkten vor Jordan-Hart.
Johnny Herbert bestritt seinen 50. und Gerhard Berger seinen 150. Grand Prix.
Mit Ayrton Senna trat ein ehemaliger Sieger (dreimal) zu diesem Grand Prix an.
Senna, in den vorherigen beiden Rennen jeweils vorzeitig ausgeschieden, hatte Schwierigkeiten damit, die richtige Abstimmung für seinen Wagen zu finden.
Er und sein Teamkollege Hill hatten ihr Cockpit inklusive Lenksäule und Monocoque modifizieren lassen, um mehr Bewegungsfreiheit zu erhalten...
Der Österreicher Roland Ratzenberger hatte sich die Chance hart und lang erarbeitet, einmal in der Formel 1 fahren zu dürfen.
"Er hatte nicht das Naturtalent eines Senna, eines Häkkinen oder eines Barrichello, also hat er viel härter gearbeitet, um die Dinge zum Laufen zu bringen", so der erfahrene Formel-3-Teamchef Dick Bennetts.
"Er war ein guter Allrounder und sehr anpassungsfähig, aber er hat es wegen seiner Arbeitsmoral geschafft."
Mit schwindenden Mitteln und stagnierender Formelkarriere konfrontiert, suchte Ratzenberger ab 1989 sein Glück in Japan. Dort gab es Geld.
Japanische Sportwagen-Meisterschaft für Toyota, japanische Formel 3000. Nebenbei regelmäßige Auftritte bei den 24 Stunden von Le Mans.
Ein Versuch, 1993 beim neuen Jordan-Team anzudocken, fiel mangels Sponsoren flach.
Dann kam sie, die Chance, auf die er seit Ewigkeiten hingearbeitet hatte. In Monaco traf er die Sport- und Musik-Managerin Barbara Behlau.
Er kam zu ausreichend Budget, um sich wenigstens für die ersten fünf Rennen 1994 beim Formel-1-Neueinsteiger Simtek einzukaufen.
"Ich fragte ihn: Warum?", erinnert sich sein alter Le-Mans-Partner Mauro Martini.
"Warum machst du das? Für mich war das sinnlos. In die Formel 1 musst du mit einem der fünf, sechs Top-Teams. Wenn du für sie Ergebnisse einfährst, bleibst du.
Fährst du für die anderen fünf oder sechs, dann kommst du, und du gehst wieder. Die Leute vergessen dich."
Er sollte aber aus anderen Gründen nicht vergessen werden...
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Während des ersten Qualifikationstrainings am Freitag, dem 29. April, hatte dann der brasilianische Pilot Rubens Barrichello mit seinem Jordan-Hart den ersten schweren Unfall des Wochenendes:
Sein Wagen hob bei einer Geschwindigkeit von etwa 225 Kilometern pro Stunde beim Überfahren der Curbs in der Schikane Variante Bassa ab und prallte gegen die Oberkante eines Reifenstapels.
Anschließend überschlug sich der Wagen mehrere Male, bevor er mit den Rädern nach oben liegen blieb.
Barrichello, bei dem sich durch den Unfall die Zunge vor die Luftröhre legte und der durch den Sauerstoffmangel das Bewusstsein verlor, wurde unmittelbar nach dem Unfall noch auf der Strecke medizinisch behandelt und anschließend in ein Krankenhaus gebracht.
Eine gebrochene Nase und ein Gipsverband am Arm zwangen ihn dazu, das restliche Rennwochenende als Fahrer auszusetzen...
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Einen Tag später während des zweiten Qualifikationstrainings am Samstag überfuhr der Simtek-Pilot Roland Ratzenberger (33), der zuvor erst ein Formel-1-Rennen bestritten hatte, bei der Schikane Acque Minerale die Curbs und beschädigte vermutlich dadurch seinen Frontflügel.
Eigentlich ein nicht ungewöhnlicher Vorfall an einem Rennwochenende, doch statt in die Boxengasse zurückzukehren, startete er erneut eine schnelle Runde.
Bei über 300 km/h verlor sein Wagen den Frontflügel, der dann unter die Vorderräder geriet, so dass diese keinen Kontakt mehr zum Boden hatten.
Dies machte es Ratzenberger quasi unmöglich, den Wagen zu steuern und in den Rechtsknick der Villeneuve-Kurve einzulenken.
Er prallte mit 290 km/h fast frontal in die Betonmauer der Kurve.
Nach dem Aufprall wurde das Auto zurück auf die Strecke geschleudert, wo es verlangsamte und zum Stillstand kam...
Obwohl das Monocoque größtenteils intakt blieb, führte die enorme Kraft des Aufpralls zu einem Schädelbasisbruch sowie zum Bruch der Halswirbelsäule.
Das Qualifying wurde sofort abgebrochen, Streckenposten und medizinisches Team waren kurz darauf vor Ort.
Ratzenberger wurde zwar noch mit einem Rettungswagen abtransportiert und mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen.
Im Krankenhaus wurde später bekannt gegeben, dass Ratzenberger seinen schweren Verletzungen erlegen sei... 😔
Er war damit das erste Todesopfer bei einem Formel-1-Rennen seit dem Großen Preis von Kanada 1982, bei dem Riccardo Paletti gestorben war.
Eine Tragödie, die den routinierten Ayrton Senna enorm aufwühlte und ihn am Sinn seines Tuns erheblich zweifeln ließ.
Es gab Momente, in denen er gedankenverloren an seinem Williams lehnt und ins Leere starrt...
Hinzu kamen die schon angesprochenen Probleme mit seinem neuen Arbeitsgerät in seinem ersten Jahr bei Williams.
Er hatte mit dem modifizierten und schwer steuerbaren Auto schon etliche Dreher hinter sich. Er war ohne WM-Punkt nach Imola gekommen.
Am Ende entschied er sich für den Start.
Senna hatte sich vor Schumacher, dem Führenden in der WM-Gesamtwertung, für die Pole-Position qualifiziert.
Berger erreichte in der Qualifikation den dritten Platz, Sennas Teamkollege Hill den vierten Platz. Die Rundenzeit, die Ratzenberger vor seinem tödlichen Unfall gefahren hatte, hätte ihn auf den 26. und somit letzten Startplatz gebracht.
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Das Rennen
Am Morgen vor dem Start des Rennens äußerten Senna und Berger bei der Fahrerbesprechung ihre Bedenken über den Einsatz des Safety-Cars, damals ein gewöhnlicher Opel Vectra.Sie argumentierten, dass das Safety-Car nicht schnell genug fahren könne, um die Reifen der Formel-1-Wagen vor dem Start, während es das Feld auf der Einführungsrunde anführt, auf die notwendige Temperatur zu bringen.
Außerdem argumentierten sie, dass ein ähnliches Problem auftreten könne, wenn das Safety-Car während des Rennens zum Einsatz käme.
Die Rennkommissare nahmen diese Bedenken zur Kenntnis, ohne etwas am Safety-Car zu ändern.
Zwar verzichteten die Kommissare auf einen Einsatz in der Einführungsrunde; ließen sich aber nicht davon abbringen, es im Rennen zu benutzen...
Beim Start des Rennens blieb das Auto des fünftplatzierten Fahrers JJ Lehto liegen.
Die Sicht des von Platz 22 startenden Pedro Lamy auf Lehto war durch andere Rennwagen versperrt.
Lamy kollidierte mit Lehtos Wagen, von dem daraufhin Räder und Teile der Karosserie über den Sicherheitszaun schleuderten und neun Menschen leicht verletzten.
Obwohl die Zielgerade mit scharfkantigen Wrackteilen übersät war, wurde das Rennen nicht abgebrochen, sondern durch den Einsatz des Safety-Cars neutralisiert, um so unter sicheren Bedingungen die Trümmer von der Strecke räumen zu können.
Die Bremsen des Opels waren bereits weitestgehend wirkungslos, nachdem es zwei Runden mit Höchsttempo hinter sich hatte. 🙈
Unglaublich:
Der hinter dem Safety-Car in Führung liegende Senna fuhr dann sogar an einer Stelle kurz neben dem Safety-Car, um ihm zu signalisieren, schneller zu fahren!
Es kam, was kommen musste: Reifentemperatur und -druck der Rennwagen sanken durch die geringere Geschwindigkeit erheblich...
Nachdem die Unfallstelle geräumt und von Trümmern gesäubert war, fuhr das Safety-Car zurück in die Boxengasse, und das Rennen wurde mit einem fliegenden Start zu Beginn der sechsten Runde fortgesetzt.
Kameraaufnahmen zeigen, dass Sennas Auto daraufhin in der Tamburello-Kurve funkenschlagend aufsetzte.
Eine Runde später nahm die Katastrophe seinen Lauf.
Sennas Williams FW16 schoss offensichtlich unlenkbar mit etwa Tempo 330 aus der langgezogenen Tamburello-Kurve tangential geradeaus.
Durch eine Vollbremsung konnte er die Geschwindigkeit seines Wagens wohl noch verringern und prallte mit 211 km/h in spitzem Winkel gegen die Streckenbegrenzungsmauer.
Durch die große Wucht des Aufpralls wurde das Auto zurück auf den Streckenrand geschleudert, wo es liegen blieb.
Beim Einschlag in die Mauer löste sich ein Teil der Vorderradaufhängung, durchschlug Sennas Helmvisier und verletzte ihn tödlich am Schädel.
Unmittelbar nach dem Unfall, um 14:17 Uhr Ortszeit, wurde das Rennen mit der "Roten Flagge“ abgebrochen.
Der legendäre Rennarzt Prof. Sid Watkins erreichte die Unfallstelle, um Senna zu versorgen.
Kamerabilder zeigten, dass sich Sennas Helm für einen kurzen Augenblick bewegte, wodurch es schien, als lebe der Fahrer.
Anschließend wurde er aus dem Wrack gehoben und mehrere Minuten lang am Streckenrand medizinisch behandelt.
Senna lag aber vollkommen reglos da.
Das Treiben um ihn wurde immer hektischer, so dass man zu diesem Zeitpunkt schon das Schlimmste vermuten konnte...
Während der Behandlung erlaubte das Larrousse-Team versehentlich seinem Fahrer Érik Comas, die Boxengasse trotz gesperrter Rennstrecke zu
verlassen.
Streckenposten versuchten, ihm mit Flaggen anzuzeigen, dass er langsamer fahren solle, trotzdem erreichte er die Unfallstelle mit hoher Geschwindigkeit.
Comas konnte jedoch rechtzeitig bremsen; er zog sich daraufhin vom Rennen zurück...
Senna wurde anschließend per Rettungshubschrauber zum Maggiore-Krankenhaus in der Nähe von Bologna geflogen.
38 Minuten nach dem Rennabbruch, um 14:55 Uhr Ortszeit, wurde das Rennen erneut gestartet.
Obwohl Berger das Feld anführte, lag insgesamt Schumacher an erster Position, da aufgrund des Rennabbruchs die Rennzeiten der Fahrer vor dem Abbruch addiert wurden.
In der zwölften Runde setzte sich Schumacher an die Spitze des Feldes, vier Runden später gab Berger mit Lenkungsproblemen auf.
Während eines Boxenstopps von Schumacher übernahm Nicola Larini kurzzeitig die Führung.
Zehn Runden vor Ende des Rennens verlor Michele Alboretos Minardi beim Verlassen der Boxengasse sein rechtes Hinterrad.
Der Reifen traf zwei Ferrari- und zwei Lotus-Mechaniker, die danach im Krankenhaus behandelt werden mussten.
Schumacher gewann das Rennen vor Larini und Mika Häkkinen und erreichte mit insgesamt 30 Punkten das bestmögliche Ergebnis der ersten drei Saisonrennen.
Für Larini waren es die ersten Weltmeisterschaftspunkte und die einzige Podiumsposition seiner Formel-1-Karriere.
Bei der Siegerehrung wurde aus Respekt vor Ratzenberger und Senna kein Champagner versprüht...
In der Fahrerwertung baute Schumacher seinen Vorsprung weiter aus. Hill und Barrichello folgten punktgleich dahinter.
In der Konstrukteurswertung blieb Benetton vor Ferrari, neuer Dritter war Williams.
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Um 18:40 Uhr Ortszeit, mehr als zwei Stunden nach Rennende, gab Sennas behandelnde Ärztin, Dr. Maria Teresa Fiandri, seinen Tod bekannt.
An jenem 01. Mai 1994 endete das Leben eines Mannes, für den der Begriff Superstar neu definiert werden musste.
Ayrton Senna da Silva war nicht einfach ein Rennfahrer.
Der Brasilianer, Sohn aus gutem Hause, war der Prototyp eines Menschen, dem das Leben sein ganzes Füllhorn gönnte.
Er war belesen, weltoffen, spielte Klavier, sammelte Kunst, zitierte altgriechische Philosophen und las Shakespeare und Freud.
Senna hatte auch beabsichtigt, seinen 42. Sieg dem am Vortag verstorbenen Ratzenberger zu widmen.
In seinem Unfallwagen fand man eine österreichische Flagge, die er vermutlich bei einer Auslaufrunde geschwenkt hätte... 😔
Er bestritt in der Formel 1 insgesamt 161 Große Preise mit Toleman, Lotus, McLaren und Williams, erreichte dabei 41 Siege, 65 Pole-Positions sowie 19 schnellste Runden.
Seine größten Erfolge errang er mit McLaren-Honda.
Senna erhielt am 5. Mai 1994 in São Paulo ein Staatsbegräbnis. Etwa 500.000 Menschen säumten die Straßen, um den Sarg zu sehen.
Viele Fahrer und Funktionäre der Formel 1 nahmen an Sennas Beerdigung teil.
Die Geschehnisse des Wochenendes hat der britische Star-Regisseur und Oscar-Preisträger Asif Kapadia im mehrfach prämierten und sehenswerten Film "Senna" dokumentiert.
-------------
Die ersten beiden Plätze der Startaufstellung des zwei Wochen später stattfindenden Großen Preises von Monaco wurden in Gedenken an die beiden Toten mit den Farben der brasilianischen und der österreichischen Flagge angemalt und unbesetzt gelassen.
Vor Beginn des Rennens gab es zudem eine Schweigeminute.
Beim Qualifying zum GP von Monaco hatte mit Karl Wendlinger erneut ein Österreicher einen schweren Unfall.
Wendlinger erwachte erst drei Wochen später aus seinem Koma.
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Bei den folgenden Großen Preisen von Spanien und Kanada der Saison 1994 wurden zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Die langjährig für Formel-1-Rennen genutzte Rennstrecke in Imola wurde nach dem 1994er Grand Prix stark verändert.
Die Tamburello-Kurve, in der auch schon Nelson Piquet (1987) und Gerhard Berger (1989) schwer verunglückt waren, wurde zu einer Schikane umgebaut, um die Geschwindigkeit der Wagen zu verringern.
Auch die Anfahrt auf andere schnelle Passagen und Kurven wurde durch enge Schikanen verlangsamt, Auslaufzonen wurden vergrößert.
Nach dem Rennen wurde die Grand Prix Drivers’ Association (GPDA) neu gegründet, die 1961 erstmals gegründet und 1982 wieder aufgelöst worden war.
Ziel der GPDA wurde es, Fahrern zu erlauben, über Sicherheitsprobleme und ihren Standpunkt zu diesem Thema zu diskutieren und die Sicherheitsstandards zu erhöhen.
Die GPDA nahm fortan großen Einfluss auf die Gestaltung der Formel-1-Strecken.
Die Einstellung hinsichtlich der Priorität von Sicherheitsfragen änderte sich bei Piloten, Konstrukteuren und Teamchefs.
Relativ zeitnah eingeführte Verbesserungen der Sicherheit waren herausnehmbare Sitze, verschärfte Crashtests sowie größere, hochgezogene Cockpits.
Ab 1996 wurde das Safety Car von Mercedes-AMG gestellt und von professionellen Rennfahrern gefahren. Technisch entsprach es einem Renn-Tourenwagen.
Verbesserungen wie durch Stahlseile verankerte Räder und das Kopf- und Nackenschutzsystem HANS, die beide zunächst bei der Champ-Car-Serie eingesetzt wurden, waren Beispiele für ein Umdenken auch über die Formel 1 hinaus.
In den 30 Jahren seit Sennas Tod hat die Formel 1 ihr Gesicht komplett verändert, der Tod an der Betonmauer ist ein Mythos aus vergangenen Zeiten.
Aus jenen Zeiten, als Ayrton Senna die Formel 1 prägte.
Sennas Tod, sagte sein enger Freund und früherer Teamkollege Gerhard Berger einst dem Spiegel, "war so als sei die Sonne vom Himmel gefallen".
Die Legende ist aber unsterblich, sie lebt weiter!
Quellen: Ippen-Digital, Spiegel, NZZ, Motorsport-Magazin, Eurosport, Wikipedia
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