Drei Wörter, die Leben retten können: Wie Einsatzkräfte bei Notfällen ein neuartiges Ortungssystem nutzen

SteveJ

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Es liest sich wie ein Grammatik-Unfall: “aufsatz.solange.mütze“. :unsure:
Ein Wörter-Wirrwarr ohne Verb. Korrekte Groß- und Kleinschreibung? Fehlanzeige! :eek)

Doch eigentlich steht da eine Art Geheimcode...
Denn die drei Wörter ergeben einen Koordinatenpunkt.
Das Quadrat mit dem Namen “aufsatz.solange.mütze“ ist drei auf drei Meter groß und markiert einen Ort auf dem Zugspitz-Platt – mit Blick aufs goldene Gipfelkreuz.

Auch die beiden Quadrate mit den Namen “normalerweise.krokusse.anstrengend“ und “käse.neuerer.zogen“ liefern geniale Aussichten in Bayern. :D
Wer sich zur ersten sogenannten Dreiwortadresse navigieren lässt, steht im Schloss Neuschwanstein.
Wer der zweiten folgt, blickt vom Pavillon auf dem Herzogstand hinab auf Kochel- und Walchensee.

Die Dreiwortadressen hat der britische App-Hersteller “what3words“ kreiert – und damit 2013 die ganze Welt neu kartografiert.
In 57 Billionen Quadrate mit einzigartigen Wortkombinationen. Allein die deutschsprachige Version nutzt 25 000 Wörter.

Das globale Adresssystem ist inzwischen mehr als technische Spielerei. Staaten wie die Mongolei und Nigeria haben es sogar in ihr Postwesen integriert.
Dreiwortadressen werden immer häufiger für Orte genutzt, die sich nicht durch eine Anschrift wie “Hauptstraße 8“ bezeichnen lassen.
Für Orte in Parks oder auf Großveranstaltungen wie Volksfesten.
Der Golfclub Tutzing und das Schloss Mörlbach im Kreis Starnberg nennen sie auf ihren Websites etwa zusätzlich zur Postanschrift.
Ein Architekturbüro mit Sitz auf dem Schlossgelände in Seefeld nennt Kunden die Dreiwortadressen für den Büroeingang sowie die nächstgelegene Parkmöglichkeit zur schnelleren Orientierung.
Und die brauchen oft auch Sanitäter oder Feuerwehrleute, wenn im Gelände Gefahr in Verzug ist.

In Gräfelfing im Landkreis München konnten die drei Wörter “erwirkt.drin.angeregte“ am letzten Samstag der Weihnachtsferien die Feuerwehr zum Beispiel gezielt an einen Unfallort im weitläufigen Paul-Diehl-Park lotsen.
Dort war ein Schlittenfahrer verunglückt. 🙈
Er lag mit einer ernsten, sehr schmerzhaften Knöchelverletzung auf vereister Fläche an einem Hügel irgendwo im Park.
Um ihn schonend zu bergen, gaben die Malteser der Feuerwehr erstmals einen Standort als Dreiwortadresse durch.

Jörg Holzapfel ist Leiter der Integrierten Leitstelle Oberland.
Wer in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen und Weilheim-Schongau den Notruf 112 wählt, wird dorthin verbunden.
Ein System namens Advanced Mobile Localisation ortet das Mobiltelefon des Anrufers.
“Wir sehen auf unserem Bildschirm sofort, wo sich der Hilfesuchende befindet“, sagt Holzapfel.
Die alarmierten Sanitäter bekommen im Rettungswagen neben der Postanschrift auch die exakten GPS-Koordinaten und die Dreiwortadresse angezeigt.
“Das System kommt als unterstützende Ergänzung meist in der Bergrettung zum Einsatz. Über Funk lassen sich drei Wörter besser mitteilen als die Zahlenreihe.“

Das bestätigt auch Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger. “Die App wird vor allem zur Kommunikation zwischen den Einsatzkräften verwendet“, sagt er.
“Bei den langen GPS-Zahlenkolonnen könnte ein Zahlendreher gleich in das nächste Tal führen. Dazu kommt, dass sich Einsatzkräfte diese am Berg ja meist schlecht notieren können.“
Ein Fehler in der Dreiwortadresse fliegt direkt auf. Ähnlich klingende Wörter hat der Entwickler an extraweit voneinander entfernt liegende Quadrate verteilt.
Muss ein Wanderer vom Herzogstand gerettet werden, ist zumindest klar, dass er nicht in Mecklenburg-Vorpommern auf Hilfe wartet. ;)

Allen Hilfesuchenden raten Jörg Holzapfel und Roland Ampenberger aber weiterhin, die 112 zu wählen.
“So kommt man, egal wo man in Europa ist und auch ohne Netz, bei der richtigen Leitstelle raus“, sagt Holzapfel.
“Am Hörer kann man dem Ortskundigen in der Leitstelle auch Fragen stellen oder Gegenfragen beantworten.“
Die App ersetzt also nie den heißen Draht in die Notrufzentrale.

Wer solche Adressen finden möchte, sollte sich die App "what3words" (Apple & Android) mal näher ansehen...
 
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