75 Jahre dpa - die Makler der Wahrheit

SteveJ

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Nachrichtenagenturen sind so alt wie das Zeitungswesen, denn sie lösen ein Grundsatzproblem:
Wer aus aller Welt berichten will, braucht ein weltumspannendes Netz verlässlicher Korrespondenten.
Was ein Medium allein sich nicht leisten könnte, verteilen die Agenturen auf viele Schultern.
Als “Wasserwerk der Medien“, so ein verbreitetes Bild, stellen sie einen Strom geprüfter und nach journalistischen Standards aufbereiteter Nachrichten zur Verfügung.
Aus diesem “Wasser“, so erklärt der amtierende dpa-Chefredakteur Sven Gösmann die Metapher, könnten die Nutzer “sowohl Bier brauen als auch Cola machen oder es pures Wasser sein lassen“.

In Deutschland versiegte die Quelle, als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen:
Zeitungen und Agenturen wurden geschlossen oder zur Propaganda “gleichgeschaltet“.
Ein Neustart des Journalismus war nach dem Zweiten Weltkrieg unausweichlich.
Die Militärregierungen lizenzierten erste Zeitungen, doch auf eine gemeinsame Nachrichtenagentur konnten sich die Siegermächte nicht einigen.
So entstanden 1945/46 in der amerikanischen Besatzungszone die “Deutsche Nachrichtenagentur“ (DENA), im sowjetisch besetzten Osten der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst (ADN), in der französischen Zone die Südwestdeutsche Nachrichtenagentur (SÜDENA) und bei den Briten der “Deutsche Pressedienst (dpd).

Der Beginn der Pressefreiheit​

Anfangs waren diese Agenturen überwiegend mit Personal der jeweiligen Militärregierungen besetzt und wurden streng zensiert und kontrolliert.
Doch schon bald stellten die Verantwortlichen im Westen vermehrt deutsches Personal an und ließen die Zügel lockerer.
Die Zuversicht wuchs, dass in dem vom Krieg gezeichneten Land gedeihen könne, was die West-Alliierten anstrebten:
Pressefreiheit und ein “angelsächsischer Nachrichtenstil“, der insbesondere auf die Trennung von Nachricht und Kommentar Wert legte.

An Versuchen der Politik, Einfluss auf die Agenturen zu nehmen, mangelte es nicht.
Und in einem Fall ist dokumentiert, dass ein CDU-naher Journalist Politik machte, statt über sie zu berichten:
Wagners Recherchen legen nahe, dass der dpd-Korrespondent Franz Hange 1949 mit einer gezielt lancierten Falschmeldung den Ausschlag dafür gab, dass nicht Frankfurt, sondern Bonn für die nächsten 50 Jahre zum Regierungssitz wurde.

Solche Verstöße gegen das journalistische Neutralitätsgebot blieben Ausnahmen, das Vertrauen wuchs.
Und als die entstehende Bundesrepublik sich am 23. Mai 1949 mit dem Grundgesetz in nie dagewesener Weise zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Meinungsfreiheit bekannte, schien der Weg reif, die Medien in die Unabhängigkeit zu entlassen.
Am 18. August 1949 schlossen sich die Zonen-Agenturen zur dpa zusammen.
Chefredakteur wurde der renommierte dpd-Chef Fritz Sänger, ein ausgewiesener Sozialdemokrat.
Ein Sicherungsseil hatten die Siegermächte eingebaut: Nach dem Vorbild unter anderem der US-Agentur ap war die dpa als Genossenschaft der Zeitungsverlage konzipiert und damit vor direkten Einflüssen von Wirtschaft und Politik geschützt.
Das zahlte sich in der “Kanzlerdemokratie“ Konrad Adenauers aus. Sänger wehrte alle Versuche des Kanzlers ab, die dpa in den Dienst der Regierung zu stellen – bis hin zum offenen Streit mit dem mächtigen Politiker.

Sänger trieb den Ausbau der dpa zur internationalen Agentur kräftig voran.
Im Gleichschritt mit der jungen Bundesrepublik, die diplomatische Beziehungen mit anderen Ländern auf- und ausbaute, wuchs das Netz der Korrespondenten.
Die dpa, so das hohe Ziel Sängers, solle “eine deutsche und freie Stimme in der Welt sein und der Wahrheit dienen, fundiert auf den Werten der Demokratie und der Würde der Menschen“.
Im Osten kam man diesem Ziel nur langsam näher. Erst 1972 gab es den ersten dpa-Korrespondent in der DDR.

80 Korrespondenten in aller Welt​

Die Erfolgsgeschichte der dpa lässt sich in Zahlen darstellen: Von 711 Festangestellten im Jahr 1951 ist die Unternehmensgruppe auf 1322 Beschäftigte gewachsen.
50 Büros in Deutschland und 80 Korrespondenten in aller Welt sowie Kooperationsverträge mit den Weltagenturen afp, Reuters und ap stellen sicher, dass die dpa stets am Puls der Zeit bleibt.
Zum Kerngeschäft, dem Sammeln, Sichten und Weiterleiten von Nachrichten, ist ein breites Spektrum an Dienstleistungen hinzugekommen, längst ist die gedruckte Nachricht nur noch ein Produkt von vielen.
Ein brandneues Redaktionssystem soll den Anschluss an die digitale Informationsgesellschaft sichern, und die rasante Entwicklung der Medienwelt erfordert unablässig Neuerungen.

Am Thema Künstliche Intelligenz (KI) lässt sich die Marschrichtung erkennen:
Die Möglichkeit, Texte in Sekundenschnelle von einem Algorithmus erstellen zu lassen, birgt Gefahren.
Doch die dpa sieht auch die Chancen und begreift sich laut Hans-Ulrich Wagner “als Akteur, der aktiv gestaltet“.
Dpa-Geschäftsführer Peter Kropsch nennt als Leitlinie, “Faktentreue, Ausgewogenheit und Unabhängigkeit, die Werte der dpa, auf das Feld KI umzulegen“.

Immer wichtiger wird dabei eine Maxime, an der sich Nachrichtenagenturen international messen lassen müssen: “be first, but first be right“ – sei der Erste, der eine Nachricht publik macht, zuallererst aber bürge dafür, dass sie stimmt.
Wie gut der dpa das seit 75 Jahren gelingt, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum 70. Geburtstag der Agentur deutlich gemacht.
“Fakten sind Fakten, wenn sie von der dpa gemeldet werden“, sagte Steinmeier – ein verbaler Ritterschlag und zugleich ein Auftrag für die nächsten 75 Jahre.

Quellen: Ippen-Digital, dpa
 
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